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Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ransom
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stolz auf mich, und wir lagen tief atmend da und blickten hinauf zu den nur noch schwach schimmernden Sternen, während die feuchte Hitze schnell abkühlte.
    »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich hab den Scotch vergessen. Irgendwie die Kontrolle verloren.«
    »Irgendwie«, meinte ich.
    Mir war nach einer Zigarette und einem kühlen Bier. Ich vollführte einen langsamen Sit-up, dann stand ich auf, zog die Hose hoch und schloss den Gürtel. Ich stand meinem Haus zugewandt, sah in Richtung der Hintertür und der Küche. Die Außenlampe brannte und erleuchtete den Weg zur Garage. Unmittelbar außerhalb des Lichtkegels, in einem schwarzen Flecken Gras, etwa zehn Meter weit entfernt, stand ein Junge von acht oder zehn Jahren. Sein Gesicht war bleich und konturlos, eine verwischte Maske unter einem dunklen Haarschopf. Er trug ein dunkles Jackett, ein weißes Hemd und beige Hosen, wie die Schuluniform einer Privatschule. Er stand reglos da, die Arme an den Seiten herabhängend, und beobachtete uns aus tief überschatteten Augen. Sein Mund war zu einem stehenden Oval geöffnet, aber kein Laut drang heraus.
    »Heilige Scheiße! «
    Annette klammerte sich an mein Bein. »Was ist denn los?«
    Ich sah zu ihr hinunter. »Beweg dich nicht.«
    »Ist da jemand? James? Was ist los?«
    Mein Blick glitt suchend durch meinen Garten, durch ihren, zur Einfahrt. Der Junge war verschwunden.

15
    Während der nächsten Woche übten meine Nachbarin Annette und ich uns in Vermeidungsstrategien. Wir verabredeten uns nicht, schliefen nicht im selben Bett und hatten keinen Sex. Wir telefonierten nicht, schickten uns keine E-Mails oder SMS , wir versteckten uns nicht einmal voreinander. Stattdessen drückten wir uns an der unsichtbaren Grenze zwischen unseren Häusern herum und beobachteten den anderen im Garten, während wir unserer jeweiligen Beschäftigung nachgingen. Ich warf Staceys Schuhe weg, füllte die Löcher auf und mähte den Rasen. Annette schleppte einen Gartentisch mit Sonnenschirm an, dazu einen Kugelgrill und einen Servierwagen.
    Sie wohnte nur zur Miete, aber sie schien sich wirklich einzurichten. Ein paar Tage später sah die rückwärtige Veranda aus wie ein Garten-Center-Katalog. Ich hörte sie im Garten mit jemandem sprechen, gefolgt von dem piep-piep-piep eines zurückstoßenden Lastwagens. Durch das Bullauge über dem Treppenabsatz sah ich, wie sie einen Tieflader in die Zufahrt einwinkte. Annette hatte sich mit ihren abgeschnittenen Jeans herausgeputzt, einem eng anliegenden Tanktop, goldfarbener Pilotenbrille und einem blauen Paisley-Tuch um den Kopf. Sie trug neue, orangefarbene Kalbslederhandschuhe, und ihre Füße steckten in schweren, braunen Arbeitsstiefeln, ebenfalls neu. Ihren Daumen konnte ich zwar nicht sehen, aber er musste inzwischen so grün sein, dass es grüner nicht ging.
    Die Ladefläche des Lasters war vollgepackt mit einem Sammelsurium von Blumenschalen und Gemüsepflanzensämlingen, dazu Büsche in Plastikkübeln, einjährige Pflanzen in allen Farben, plus säckeweise Mulch und Dünger. Während ihr Fahrer und Helfer (der, wie Annette mir später erzählte, Mel Larkin hieß, ein ehemaliger Chemielehrer, der der kalifornischen Haushaltskrise zum Opfer gefallen war, und den sie auf dem Parkplatz von Lowe’s kennengelernt hatte) das Zeug auf der hinteren Veranda und dem angrenzenden Kiesstreifen ablud, ging sie zum Kofferraum ihres Mustang und fing an, die Hardware auszuladen. Schaufel, Spaten, Rechen, Gartenschläuche, Rasensprenger, Vogelhäuschen – was man eben so braucht, wenn man eines Morgens aufwacht und beschließt, einen Instant-Garten zu kreieren.
    »Mädels lieben Blumen«, sagte ich zum Fenster. »Das sind die Frühlingsgefühle.«
    Zwei Tage später hatte sie ein sechs mal drei Meter messendes Rechteck umgegraben, die Erde vorbereitet und gedüngt, die Pflanzen eingesetzt und das Gebiet mit Holzpfosten und grünem Maschendraht abgegrenzt, um Tiere fernzuhalten. Eine Frau, die ihr Territorium absteckte.
    An den Abenden winkten wir uns von den Vorderveranden aus zu, sie am Telefon, während sie sich bei einem Glas Wein entspannte, ich mit Zigarette beim Lesen der Tagespost. Es war eine Prüfung der Willenskraft. Du kannst mich jederzeit besuchen, aber dräng mich nicht. Ich muss mich eingewöhnen, du musst nüchtern werden. Hier ist eine Box mit Lasagneresten – iss sie, und denk an mich. Ja, das war ich, der deine Wacholderbüsche geschnitten hat, während du beim Einkaufen warst. Danke.

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