Ewig Böse
gaben nach, dann rutschten meine Hände ab, und sie schnellten zurück. Ich zog daran.
»Annette!«
Ich wusste nicht, ob sie es gewesen war, die da geschrien hatte, aber die Alternative war nicht angenehm. Sie antwortete nicht. Ich hämmerte gegen die Türen, wich dann einen Schritt zurück und trat zu, so hart ich konnte. Mit einem satten Knall sprangen die Türen auf. Drinnen war es finster, und ich hob den Arm, um eventuelle Angreifer abzuwehren, die sich aus der Dunkelheit auf mich stürzten.
Als nichts passierte, tastete ich nach dem Lichtschalter. Die Kerzenlampen des Lüsters leuchteten auf.
Annette stand mit dem Rücken zu mir regungslos in der Mitte des Ballsaals, ihre Arme hingen schlaff an ihrem Körper herunter. Die blonden Haare waren weißer denn je, und sie trug das gelbe Kleid mit dem rosa-blauen Blumenmuster.
Nein, nicht ganz. Der Stil war derselbe, aber das Kleid war älter, nicht gelb, sondern aus blassem Pink, mit grünen statt blauen Blumen. Es war das Original, jenes, das ich vor zwei Jahren für Stacey im Anthropologie in The Grove gekauft hatte. Annettes nackte Beine schimmerten weiß bis hinunter zu den schwarzen, flachen Schuhen. Sie waren schmutzverkrustet. In der rechten Hand hielt sie die verschwundene Glock, die Mündung zielte auf den Boden. Ihr Finger lag um den Abzug.
Psycho-Sicherung. Finger am Abzug = bereit.
»Annette?«
Mit ihrer Figur stimmte etwas nicht. Sie wirkte steifer, größer.
»Annette, was tust du da?«
Stacey lachte in meinem Kopf. Einen Versuch hast du noch, James.
Annette drehte sich zu mir um. Etwas an ihr war …
»O Gott, nein.«
Lucy Arnold hatte sich die Haare abgeschnitten und gefärbt. Und sie hatte die Waffe gefunden – oder gestohlen. Ihre Augen waren glasig schwarz. Die Lippen bebten, und ein Speichelfaden baumelte ihr fast bis zum Schlüsselbein.
»Lucy? Warum – was ist los?«
Aber noch während ich das sagte, wusste ich Bescheid. Ich hatte ihre Gefühle verletzt. Sie hatte mich mit Annette gesehen, und ich ließ sie links liegen, als würde sie überhaupt nicht existieren. Unter Lucys netter und schüchterner Oberfläche lauerte ein psychopathischer, eifersüchtiger Stalker. All die nicht zusammenpassenden Teile ergaben plötzlich einen Sinn, das Puzzle setzte sich zu einem Bild zusammen. Die Frau, die Euvaldo Gomez vor Annettes Ankunft im Haus gesehen hatte. Die kleinen Anzeichen, meine zusammengefaltete Unterwäsche in der Kommode. Lucy hätte auch die Kombination für das Schloss des Lagerraums finden können.
Sie trägt die Kleider deiner toten Frau. Sie ist total durchgeknallt.
»Lucy, es tut mir leid, ja? Leg jetzt die Waffe weg, bitte.«
Ich trat mit erhobenen Händen zur Seite und sah unsere beiden Spiegelbilder in dem riesigen Spiegel hinter ihr. Das gealterte Glas verbarg etwas. Ich spürte, wie es die Energie aus diesem Raum sog. Lucy zitterte, ihr Gesicht war ausdruckslos. Was hatte ihren Schrei ausgelöst? Was hatte sie in diesem Spiegel gesehen?
Den roten Hasen. Den echten, nicht das Bild.
»Ist schon gut«, sagte ich. »Alles in Ordnung. Gibst du mir die Waffe?«
Quatsch, ich habe mir den Kopf angeschlagen, das ist alles. Annettes wirres Gerede von dem roten Hasen hat mich durcheinandergebracht. Reine Suggestion. Stacey ist tot.
Sprich mit Lucy. Sie ist ein wirklicher Mensch.
»Lucy Arnold«, sagte ich mit gewissem Nachdruck. »Officer Arnold, leg die Waffe weg.«
Sie betrachtete Staceys Schuhe, als wären sie ihr fremd, als fiele ihr gerade erst auf, dass sie sie trug. Der erste blieb einfach liegen, als sie herausschlüpfte. Der zweite verhakte sich hartnäckig an ihrer Ferse, bis sie das Bein schwang und der Schuh über den Boden schlitterte und unter einer Sitzbank dumpf gegen die Wand prallte.
Dann bemerkte sie die Pistole in ihrer Hand.
»Die brauchst du nicht. Versprochen.«
»S-s-sie lässt mich nicht«, sagte Lucy. »Sie wird uns beide t-t-töten.« Ihr Ausdruck veränderte sich nicht. Trotz des Stotterns klang es, als würde sie die Worte von einem Blatt Papier ablesen.
»Nein, das ist nicht real«, sagte ich. »Du bist in Sicherheit. Ich lasse nicht zu, dass dir etwas zustößt.« Ich bot ihr die Hand und trat einen Schritt näher.
»Sie h-h-hat mich gezwungen … kam in der N-nacht zu mir … eingeflüstert. Stacey ist nicht tot. Sie ist im Telefon. Sie ist in meinem Sch-schlafzimmer. Hier, sie ist hier. Sie frisst m-mich bei lebendigem Leib.«
»Leg die Waffe hin, Lucy.«
»Sie ist s-sehr,
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