Ewig Böse
stehen zu sehen, eine Hand am Lichtschalter, die andere erhoben, um mir eine zu klatschen.
Aber die Türöffnung war leer. Die Gase in der Leuchtstoffröhre erhitzten sich und leuchteten heller. Ich konnte mich nicht erinnern, dass es im Haus jemals Probleme mit der Elektrik gegeben hätte. Wir hatten einiges in die Wasserinstallation gesteckt und die alten Eisenrohre durch Kupferleitungen ersetzt, aber die Elektrik war bereits modernisiert, als wir den Kaufvertrag unterschrieben. Ich war mir deshalb so sicher, weil ich mich noch an den Mann erinnerte, der die Abnahme durchgeführt hatte, ein träger alter Knabe namens Robert Knapp mit gefüttertem Baracuta-Jackett, übertrieben großem Schulring und einer Bifokalbrille auf der roten Nase. Ein gescheiter Bursche, dieser Knapp. Hilfsbereit, höflich. Er war erkältet und sprach, als hätte er den Hals voll Milch. Wie hatte er sich ausgedrückt? Ah, ja. »Die Elektrik ist im grünen Bereich oder besser.«
Vielleicht doch nicht ganz im grünen Bereich, Mr Knapp.
Was hatte ich gleich wieder vorgehabt? Duschen? Das konnte ich auch unten. Ich ließ eine Minute verstreichen, ohne mich zu rühren, bis meine Ohren in der Stille zu klingen begannen. Erst war es ganz leise, aber als ich mich darauf konzentrierte, wurde es immer lauter, ein entferntes, doch immer näher kommendes Pfeifen. Wie ein Teekessel, in dem das Wasser gleich kocht. Wo hatte ich das schon einmal gehört? Ich versuchte, mich zu erinnern, als mein Blick wieder auf die Gemälde fiel.
Ich prallte heftig zwinkernd zurück. Die Häsin im unteren Bild hatte sich verändert. Das eine grüne Auge war nun eine rote Murmel mit einer stecknadelkopfgroßen schwarzen Pupille. Ich war sicher, dass es vor einer Sekunde noch grün gewesen war, aber jetzt hatte es die Farbe eines Granatapfels, und die wurde immer intensiver. Ich hoffte, das Licht spielte meinen Augen Streiche. Doch das Männchen oben hatte immer noch sein kleines grünes Auge, während das des Weibchens …
Ihr rotes Auge blinzelte. Die schwarze Pupille erweiterte sich plötzlich.
Ich sprang zurück. Mir wurde schwindelig, während das Auge mir folgte. Nicht auf die Art, wie einen die Augen aus einem gut gemachten Ölgemälde an jedem Punkt des Raums anzusehen scheinen. Das rote Auge der Häsin bewegte sich. Zuerst nach rechts und dann, als ich auszuweichen versuchte, nach links, unverwandt auf mich geheftet, hin und her. Ich stöhnte.
Das Fell der Häsin hatte einen schimmernden Glanz angenommen und rötete sich, als würde frische Farbe vom Körper ausgehend nach oben, nach außen steigen und es durchtränken. Ich wich weiter zurück, bis der Pelz sich vollständig mit Rot gesättigt hatte und ich mit dem Rücken zur Wand stand. Das Pfeifen des Teekessels schrillte immer lauter in meinen Ohren und machte es mir unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich wusste, wenn ich jetzt die Hand nach dem Bild ausstreckte, würde sie glatt durch das Glas hindurchgehen – wenn da überhaupt jemals eine Scheibe gewesen war – und nass wieder herauskommen, beschmiert mit ihrem Blut.
Die Häsin drehte den Kopf zu mir. Ihre Lippen zogen sich von zwei nadelscharfen Zähnen zurück, unter denen ein schwarzer Knubbel zum Vorschein kam, ihre Zunge. Ihr Blick war der einer fauchenden Katze, die flauschigen Ohren flach angelegt. Sie kreischte und gellte laut genug, um die Toten aufzuwecken, oder vielleicht schrien da die Toten, die versuchten, die Lebenden zu wecken.
Ich hielt mir die Ohren zu und zuckte zurück, knallte mit dem Hinterkopf gegen die Wand. Der Schlag schien meine Sinne wieder ins Lot zu bringen, denn augenblicklich kehrte die Häsin in ihren früheren Zustand zurück, als würde eine Spielkarte wie von Zauberhand umgedreht. Nun war sie wieder schwarz-weiß, das Auge grün und leblos. Das Gemälde war nur ein Gemälde, ein lockender Köder. Das schrille Pfeifen jedoch hörte nicht auf, und ich begriff, dass da jemand gellend schrie, und es war nicht der Hase.
Es war die Frau im Ballsaal.
19
Während ich durch den Flur rannte, erreichte das Kreischen seinen Höhepunkt und brach dann abrupt ab, so dass nur ein Klingeln in meinen Ohren zurückblieb. Ich hielt an und überlegte, auf was ich mich da eigentlich einließ. Ich hatte Angst, zu spät zu kommen. Ich machte drei zögernde Schritte, hörte keinen weiteren Laut und ging dann etwas gefasster auf die Doppeltür des Ballsaals zu.
Sie war versperrt. Ich rüttelte an den Griffen, die Türen
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