Ewig Dein
die Augen weit aufgerissen. Er betrachtete Judith argwöhnisch von der Seite. »Was bist denn du für eine?«, sagte er betreten. – Was war das nur für eine fürchterliche Frage an sie? »Ich, ich, ich … muss schlecht geträumt haben«, sagte sie. »Es tut mir so schrecklich leid.« Er streifte das Handtuch herunter und betrachtete seine Wunde. Sein Arm zitterte.
»Das ist nicht normal, Judith. Das ist nicht normal«, sagte er. »Das weißt du, dass das nicht normal ist???« Jetzt war er richtig böse. Sie begann leise zu schluchzen. »Machst du das öfter?«, giftete er sie an. – »Ich muss schlecht geträumt haben«, wiederholte sie. »Ganz, ganz schlecht.« – Er stand abrupt auf, suchte seine Sachen zusammen, begann sich hastig anzuziehen, besuchte noch schnell das Badezimmer und bog dann gleich zum Vorraum ab. »Ein letzter guter Tipp«, rief er ihr zu, »träum niemals ganz, ganz schlecht mit einem schweren oder spitzen Gegenstand in deiner Hand!«
4.
Im Geschäft empfing Bianca sie mit den Worten: »Sehr gut geschminkt sind Sie aber nicht, Chefin. Sie haben die ur Ringe unter den Augen.« Judith fiel ihrem Lehrmädchen in die Arme und weinte. »Nehmen Sie sich’s nicht so zu Herzen«, sagte Bianca, »wir kriegen das schon hin. In meiner Handtasche hab ich fünf verschiedene Lidschatten.«
Judith erzählte ihr von ihrem Liebesabenteuer und dessen Eskalation. »So schlimm ist das auch wieder nicht«, meinte Bianca. »Ich glaube, dass das den Männern sogar irgendwie gefällt, wenn man sie etwas härter anfasst.« Judith: »Ich hab ihn nicht etwas härter angefasst, ich hab ihm beinahe den Arm abgebissen.« Bianca lachte. »Bleiben Sie cool, Frau Chefin. Rufen Sie ihn an und sagen Sie ihm: Ich verspreche, wenn wir das nächste Mal vögeln, nehme ich den Beißkorb mit .« – Jetzt ging es Judith deutlich besser.
Ihr wirkliches Problem würde Bianca überfordern, aber Judith musste es einmal auch vor sich selbst formulieren. »Ich krieg diesen Hannes nicht mehr aus dem Kopf. Es wird immer schlimmer. Ich glaube, ich habe echte Wahnvorstellungen. Manchmal bin ich so sicher, dass er alles kontrolliert und jeden meiner Schritte verfolgt. Und manchmal ist er schon so sehr in mir drinnen, dass ich zweifle, ob er das überhaupt sein kann, ich meine, er als Person. Ob das nicht ich selbst bin, die sich das Ganze einbildet. Verstehst du?« Bianca zögerte eine Weile und musterte sie. Dann sagte sie: »Geistesgestört sind Sie nicht, glaube ich. Da gibt es ganz andere Typen, die Leichen zerstückeln und dann die Teile einzeln …« – »Okay, Bianca, danke, dass ich das loswerden konnte.« Sie ging rüber ins Büro.
Nach einer Weile folgte ihr Bianca. Sie hatte rote Wangen und sprach in aufgeregtem Tonfall: »Ich hab’s, Frau Chefin, damit wir wissen, ob er draußen oder drinnen ist« – sie tippte mit dem Zeigefinger an ihre Schläfe –, »müssen wir ihn aufspüren. Wir müssen uns auf die Lauer legen und ihn beschatten und warten, bis er einen Fehler macht. Und ich habe ur die Idee, wer das machen wird. Eigentlich eh logisch. – Der Basti!«
Er hatte schon einige Male vor der Tür auf Bianca gewartet. Diesmal winkte sie ihn herein. »Chefin, darf ich vorstellen, das ist der Basti, mein fixer Freund«, sagte sie feierlich und drehte mit den Pupillen einen ihrer berühmten Kreise. Er war um die zwanzig, etwa doppelt so groß wie sie, stocksteif wie ein Fahnenmast und etwa auch so gesprächig, hatte rote Haare und arbeitete wirklich bei der Berufsfeuerwehr. »Sehr erfreut«, sagte Judith. »Ich auch«, brummte Basti grimmig und fuhr mit der Zunge über sein Oberlippen-Piercing.
»Basti macht gerade einen Detektiv-Kurs«, berichtete Bianca. »Er möchte sich später auf Handy-Diebe spezialisieren. Ihm selbst ist schon dreimal das Handy gestohlen worden.« Er sah sie an, als wartete er auf die Übersetzung einer Dolmetscherin. »Und da denke ich, ein bisschen Praxis kann ihm nicht schaden.«
Judith war die folgende Situation äußerst unangenehm, Basti war sie scheinbar gleichgültig. Aber Bianca ließ sich von ihrem Plan nicht mehr abbringen. Ihr Freund wurde dazu verpflichtet, einen gewissen Hannes Bergtaler, von dem es leider keine Fotos, sondern nur eine ausführliche Personenbeschreibung gab, ausfindig zu machen, seine Wege zu beobachten und auf Auffälligkeiten Wert zu legen. Als Belohnung versprach ihm Bianca, ihn abends öfters zu begleiten und anschließend noch mindestens eine halbe
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