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Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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bereits volljährig (siebenundzwanzig), interessierte sich für Freunde, Fußball, Fischen und Frauen, in ebendieser erfrischenden Reihenfolge, und – Ferndiagnose – für Letzteres ausschließlich im Plural und immer nur flüchtig. Somit war er das Gegenteil von Hannes. Deshalb merkte sie sich seine E-Mail-Adresse und ließ es ein paar Tage später zu einem Treffen im selben Lokal kommen, ganz ohne Fischerfreunde und ohne die verklärte Nina natürlich.
    Er küsste Judith gleich zur Begrüßung und sparte beiden somit das mühsame Hinarbeiten auf etwas, das ohnehin bereits beschlossene Sache war. Für die nächsten Stunden in der Bar stellte sie ihm ihre Hand zum Halten zur Verfügung und genoss seine liebevollen Erzählungen aus einem Leben, in dem noch nichts geschehen war, in dem ein riesiger Barsch, der die Angel verspeist hatte, zu den bösartigsten Erscheinungen zählte, die ihm bisher untergekommen waren.
    Als er dann mehr von Judith und einer allfälligen schwierigen Beziehung – die man ihr offenbar ansah − wissen wollte, war das der ideale Zeitpunkt, um die Zu-mir-oder-zu-dir-Problematik aufzuwerfen, aber nur theoretisch, denn praktisch war klar, dass er Judith mit nach Hause begleiten musste.
    »Ich fühle mich wahnsinnig wohl mit dir, du tust mir echt gut, du Süßer«, flüsterte sie ihm beim Warten auf den Fahrstuhl ins Ohr. Ja, sie war nach langer Zeit wieder furchtlos glücklich, hatte ihren Schatten endlich einmal ausgetrickst. Fast wünschte sie sich, dass er sie so sehen konnte, so selbst, so sicher, so souverän.
    Auch daheim verlief alles erstaunlich professionell und unverkrampft, als wären Chris und sie ein längst eingespieltes Paar. Judith kümmerte sich um Rotwein, schummriges Licht und eine angemessene Couchdecke. Chris fand sofort eine passende CD – Tindersticks – und den Lautstärkeregler, hielt sich für einen Mann erfreulich lang im Badezimmer auf, hatte dann bereits das Hemd geöffnet und bot dabei einen äußerst appetitlichen Anblick. Arme Nina! Zum Glück gehörte er der sympathischen Gruppe der Selbst-Entkleider an, im Gegensatz zu jener der Fremd-Auszieher, die minutenlang an Knöpfen und Reißverschlüssen des anderen herumfingerten und so lange erfolglos an hüftengen Röcken oder Hosen zerrten, bis die Erregung weg war.
    Gesprochen wurde dann nichts mehr, nur noch geatmet. Er übertrieb es auch nicht beim Studieren ihres Körpers, sondern nahm sie gleich mit unter die Decke und begann sie überall zu berühren und abzuküssen, ehe sie ihre Augen schloss und sich dem besten Gefühl hingab, das ihr seit vielen Monaten vergönnt war. Chris möge es in der Retrospektive im Kreise seiner Fischerfreunde »wirklich guten Sex« nennen. Für Judith war es absolute Geborgenheit – und ein Wärmestrom bis in die hintersten, gerade noch schockgefrorenen Gehirnzellen.
     
2.
    Die Türglocke machte die soeben belohnte Aufbauarbeit der vergangenen Tage in ein paar Sekunden zunichte und stellte den alten Zustand sofort wieder her. Es waren drei kurze Alarmstöße, dreimal mitten ins Herz. Chris richtete sich auf und schmunzelte verschämt, wie ein vom großen Bruder beim Joint-Rauchen erwischter Jugendlicher. »Hast du puritanische Nachbarn, die gewisse Geräusche nicht vertragen?«, fragte er. Sie drehte sich weg, um ihm den Anblick ihres erstarrten Gesichts zu ersparen. »Ich weiß nicht, ich kenne sie kaum«, sagte sie. »Geräusche? Waren wir so laut? Wir waren doch nicht laut.« Sie flüsterte, um das Zittern ihrer Stimme abzuschwächen. »Du, Chris, kannst du zur Tür gehen und nachsehen?«, bettelte sie. »Du musst nicht öffnen. Nur fragen, wer da ist.« Chris wirkte irritiert: »Ist es nicht besser, wenn du … du wohnst ja hier. Oder wir ignorieren es einfach?« Judith: »Bitte, Chris, nur fragen, wer es ist.« Er: »Und wenn es ein Freund von dir ist?« Sie: »Um diese Zeit hab ich keine Freunde, ich meine, keine, die an der Tür stehen und Sturm läuten.«
    Sie vernahm das Knirschen des Bodens unter seinen Fußsohlen, zog die Decke über den Kopf und wartete, bis er wieder da war. »Niemand«, sagte Chris gelangweilt: »Also sicher ein frustrierter Nachbar.« Er kroch wieder zu ihr unter die Decke und presste sich an sie. Jetzt fühlte er sich wie die römische Statue aus Bronze an. Ihr war außen und innen kalt. Sie stoppte seine Hand auf Höhe des Oberschenkels und fragte, ob er ausnahmsweise über Nacht bleiben konnte. Das war in diesem bitteren Tonfall alles andere

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