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Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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Stunde auf dem Beifahrersitz seines Autos zu verweilen, eventuell sogar auf einem eigens angesteuerten abgeschiedenen Parkplatz.
     
5.
    Wegen Kanalarbeiten blieb das Lampengeschäft von Donnerstag bis Montag geschlossen. Judiths hochgestecktes Ziel war es, unbeschadet den Sonntag zu erreichen, für den sich Lukas zu Kaffee und Jause angesagt hatte – übrigens erstmals mit »Familie«, was sie ein wenig irritierte.
    Ihr Vorhaben scheiterte schon an der ersten Nacht. Diese verging trotz Tabletten leider wieder schlaflos. Judith hatte vergeblich auf die nun bereits vertrauten Klanggeräusche und auf die Stimme mit deren stereotyper Wortfolge gewartet. In der Früh war sie todmüde und völlig niedergeschlagen. Sprach er nicht mehr mit ihr, der Feigling, jetzt, wo sie sich langsam auf seine nächtliche Allgegenwärtigkeit einzustellen begann?
    Seine Handynummer hatte sie zwar längst gelöscht, aber im Gedächtnis war eine mit gelben Rosen verzierte schwarze Tafel hängengeblieben, und da standen die Zahlen gut leserlich darauf. Lange meldete sich niemand, doch zur Ankündigung der Mobilbox nannte er schließlich seinen Namen. Weil sie nichts Besseres vorhatte, zum Essen zu aufgewühlt und zum Schlafen zu kraftlos war, und weil noch hundertzwanzig Stunden auf Lukas fehlten, rief sie alle paar Minuten an und wartete mit wachsender Anspannung auf die immer gleiche Mitteilung: »Hier ist der Anrufbeantworter von« – und nun kam seine Stimme – »Hannes Bergtaler.« Einige Male musste sie laut auflachen, dann wieder bebte sie vor Wut. Und schließlich sprach, nein, schrie sie ihm eine Meldung auf die Box: »Hallo, ich bin’s! Ich wollte dir nur sagen – ich lass mich nicht für dumm verkaufen. Ich weiß ganz genau, dass du in der Nähe bist und mich beobachtest. Aber soll ich dir etwas verraten? Es stört mich nicht mehr. Du kannst mir keinen Schrecken mehr einjagen. Also zeig dich, du Feigling! Und wenn du es nicht tust, dann lass dir gesagt sein: Ich finde dich, wo immer du bist!«
    Nach dem Anruf hielt sie es daheim nicht mehr aus. Im Stiegenhaus bemerkte sie, dass sie noch ihre Pyjamahose und die Hausschuhe anhatte. Aufpassen, Judith, jetzt keine dummen Fehler machen! Sie kehrte um, ließ kaltes Wasser über ihre Schläfen rinnen, zog dicke dunkelrote Striche über ihre Lippen, zog die Sachen vom Vortag an, verbarg ihren dröhnenden Kopf unter einer violetten Wollhaube, verließ die Wohnung, sperrte die Tür hinter sich zu.
    Im zweiten Anlauf schaffte sie es ins Freie. Das dünne Nebellicht ätzte in ihren Augen, sodass sie sich mit ihrer Sonnenbrille dagegen zur Wehr setzen musste. Die Menschen auf der Straße machten komische Geräusche, waren seltsam verlangsamt in ihren Bewegungen und missmutig. Erst fühlte sich Judith von ihnen nur gemieden, dann offen angefeindet. Die Kinder starrten sie an und überboten einander mit gemeinen Grimassen. Die Frauen spotteten über ihr Äußeres und beschimpften sie. Die Männer sandten ihr Blicke zu, als würden sie sie am liebsten gleich ins nächste Gebüsch zerren, ihr die Kleider vom Leib reißen und über sie herfallen.
    Bei der Straßenbahnhaltestelle tauchte erstmals Hannes auf, aber als sie auf ihn zuging, war es ein anderer. Wie der grimmig dreinschaute! Du gehst besser auf die andere Seite, Judith, da bist du geschützt, da kann dir keiner was antun.
    Die Feinde schliefen nicht, auch sie wechselten die Seite. Feinde wechseln immer die Seite, einmal da, einmal dort. Aber du bist schneller, Judith, du bist ihnen den entscheidenden Schritt voraus. Komm, Liebling, geh wieder rüber! Hannes? Er wollte ihr zunächst die Hand reichen, zog sie aber zurück. Es war ein Fremder. Er funkelte sie böse an. »Hasst du mich jetzt?«, fragte sie. Dich hassen? Liebling, du weißt nicht, was du redest. Passanten rückten ihr zu Leibe. Sie wehrte sich, so gut es ging. Sie flüchtete auf die andere Straßenseite – und dann wieder zurück. Immer im Zickzack, so können dich die Giftschlangen niemals erwischen. Einmal noch hinüber, dann hast du sie abgeschüttelt. Pass auf die Autos auf, die quietschen! – Zu spät. Sie konnte nicht mehr davonlaufen. Die Feinde beugten sich über sie. Hannes stand drüben und winkte. Er war traurig. Sie hat ihn schon wieder stehengelassen. »Wir werden uns bestimmt nicht aus den Augen verlieren«, sagte sie. Das werden wir bestimmt nicht, Liebling.
    Jemand hielt ihre Hand. Die anderen verstummten. Hab ich dir nicht hundertmal gesagt, pass auf die

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