Ewig sollst du bueßen
Anna hoffte, dass
der Strafverteidiger nicht abnehmen würde.
»Nick Wagner«, sagte er, als er abnahm.
Jack nickte Anna zu; er erwartete, dass sie das übernehmen würde.
Sie räusperte sich und versuchte, sich normal anzuhören.
»Hallo, Nick, hier ist Anna Curtis.«
»Anna.« Nicks Stimme wurde weich. Sie hatte ihn nicht mehr
angerufen, seit der Fall begonnen hatte. »Es ist schön, deine Stimme zu hören.«
»Ich sitze hier zusammen mit Jack Bailey«, beeilte sie sich zu
sagen. »Du bist auf Lautsprecher gestellt.«
»Hi, Nick«, rief Jack angestrengt heiter.
»Oh. Hallo, Jack.«
»Es wird Sie sicher freuen zu hören, dass Miss Curtis auch heute
wieder hübsch aussieht.«
Nick hielt einen Augenblick inne. »Das freut mich. Gibt es sonst
noch etwas, das Sie mir mitteilen wollen, oder ist das der einzige Grund Ihres
Anrufs?«
Anna musste es hinter sich bringen.
»Pass auf, Nick, wir wollen dich einfach darüber informieren, dass
ich vor ein paar Minuten einen Anruf von deinem Mandanten bekomme habe. Er
wollte mit mir über den Fall sprechen.«
»Mein Gott. Was hat er gesagt?«
»Nichts. Ich habe ihn nicht ausreden lassen. Ich habe ihm gesagt,
dass ich mir gern alles anhören würde, aber nur über dich. Möchtest du ein
Treffen dafür vereinbaren?«
»Nein.«
»Nein, habe ich mir schon gedacht.«
»Wir werden Ihnen einen Brief schicken, in dem das alles
festgehalten wird«, sagte Jack. »Ich werde Ihnen auch eine Kopie der Ergebnisse
der CODIS-Suche dazulegen â wir haben den Bericht gestern bekommen. Der Vater
ist nicht in CODIS gespeichert.«
»Gut«, meinte Nick kurz angebunden. Diese Nachricht überraschte
niemanden. Der Vater von Laprea Johnsons Baby war kein verurteilter Straftäter.
Das brachte sie überhaupt nicht weiter. Nun konnte es praktisch jeder sein.
»Hören Sie â¦Â« Jack zögerte. »Ich will Ihnen nicht sagen, wie Sie
Ihre Arbeit zu tun haben â«
»Dann lassen Sie es.«
»Nur sorgen Sie dafür, dass Ihr Mandant nicht wieder bei Anna
anruft.«
»Im Ernst?«
Es klickte, als Nick auflegte.
»Arschloch«, murmelte Jack. »Egal, notieren Sie bitte Dâmarcos Anruf
in der Akte. Dann machen Sie Schluss für heute. Gehen Sie nach Hause, ruhen Sie
sich mal aus und vergessen Sie Davis.«
 »Ich will mich nicht
ausruhen. Ich will mich nützlich machen.«
»Sie machen sich viel nützlicher, als ich anfänglich erwartet
hatte.« Er lächelte sie an. »Ich bin egoistisch. Ich möchte nicht, dass Sie
sich verausgaben. Ich weiÃ, dass Sie auch spät nachts noch an diesem Fall
gearbeitet haben. Heute will ich, dass Sie früh nach Hause gehen, sich ein Video
holen oder â was weià ich â Rollerblades fahren oder in Klubs gehen, was auch
immer ihr jungen Leute heutzutage so macht.«
»Okay, Opi.« Sie lachte und fühlte einiges von der Anspannung des
Telefonanrufs von sich abfallen.
»Opi!« Jack schnappte mit gespielter Entrüstung ein. »Jetzt keine
Unverschämtheiten mehr, Missy, sonst bekommen Sie Hausarrest.«
Anna lachte. Jack war nur zehn Jahre älter als sie und er sah ganz
sicher nicht wie ein GroÃvater aus. Sein kahler Schädel wirkte tough und hip,
er war schlank und athletisch gebaut und bewegte sich mit geschmeidiger
Eleganz. Mit seiner groÃen Statur, seiner glatten, mokkafarbenen Haut und
seinen eindrucksvollen grünen Augen würde Jack auch bei den Ladies in einem
Klub ziemlich viel Anklang finden, vermutete Anna. Der Gedanke überraschte sie.
Sie hatte ihn immer als ihren strengen, anspruchsvollen Chef gesehen, aber
plötzlich war ihr aufgefallen, dass Jack eigentlich ein junger Mann war.
»In der Zwischenzeit«, fügte Jack hinzu, »werde ich Davis abschotten
lassen, nur zu seinem Besten. Keine weiteren Telefonate mehr für ihn.«
»Das sollte auf seine Stirn tätowiert werden: âºKeine Telefonate für
mich.â¹Â«
Als Jack das Büro verlieÃ, wandte sie sich wieder ihrem Computer zu
und summte dabei, ohne dass es ihr bewusst wurde. Sie war in so guter Stimmung
wie seit Langem nicht mehr.
Ein paar Wochen verstrichen ohne einen weiteren Ton von
Dâmarco. Jack ging davon aus, dass die Sache erledigt war, bis zu dem Abend
Ende September, als er an seinem Schreibtisch saà und die Post des Tages
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