Ewig sollst du schlafen
Wachspapier und warf es in die Kühlbox. Mit einer flinken Handbewegung drehte er den Zündschlüssel. »Wohin fahren wir?«, erkundigte sie sich. »Zu Ihrer Wohnung.« Er griff nach seinem Handy. »Ich schicke schon mal die Leute von der Spurensicherung hin. Und wenn Sie unbedingt dort bleiben wollen, dann bleibe ich eben bei Ihnen. Ansonsten kommen Sie mit zu mir.«
»Moment mal …«
Er trat aufs Gas und steuerte das Festland an. »So wird es gemacht, Nikki. Sind wir uns einig?«
»Scheiße.«
»Sind wir uns einig?«, wiederholte er.
»Ich soll heute Abend auf meine Nichte aufpassen.«
»Vergessen Sie’s.«
»Aber –«
»Wollen Sie sie in Gefahr bringen?«
Hatte diese Frau denn völlig den Verstand verloren?
»Natürlich nicht.«
»Dann lassen Sie sie bei ihren Eltern.«
»Sie ist bei meinen Eltern.« Während der Eldorado in Richtung Savannah raste, warf Nikki einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Und ich komme sowieso zu spät.«
»Rufen Sie sie an und bitten Sie sie, das Kind über Nacht bei ich zu behalten. Dann verständigen Sie Ihre Schwester. Sie besitzt doch ein Handy, oder?«
»Ja. Sie trägt es immer bei sich.«
»Gut. Das ist kein Scherz, Nikki. Die Sache ist bitterernst. Lassen Sie Ihre Nichte heute Nacht dort, wo sie ist. Glauben Sie mir, es ist besser für Sie, eine Verabredung nicht einzuhalten, als tot zu sein.«
»Okay, okay, schon verstanden.« Sie rieb sich die Arme, und als ein Auto vorüberraste und das Innere des Eldorado kurzfristig in helles Licht tauchte, sah er ihren verkniffenen Mund und wie sie nervös an ihrer Unterlippe nagte. Sie hatte es also begriffen. Endlich. Sie angelte ihr Handy aus der Tasche. »Also, was sind Sie jetzt?«, fragte sie, während das Display des Handys aufleuchtete und sie die Ziffern eingab »Mein ganz privater Leibwächter?«
»Genau«, bestätigte er. Er scherte sich nicht mehr um irgendwelche Geschwindigkeitsbegrenzungen und wählte Morrisettes Nummer. »Glauben Sie mir, ich bin darüber genauso unglücklich wie Sie!«
Wer wird der Nächste sein?
Er hob den Blick zu den Bildschirmen und war enttäuscht, dass an diesem Abend offenbar keine Meldungen über den Grabräuber erfolgten. Selbst der morgendliche Aufruhr am Heritage Cemetery schien nicht mehr im Brennpunkt des Interesses zu stehen. Die Pressekonferenz war längst vor über, und im Fernsehen zeigte man nur ein paar Ausschnitte davon.
Idioten.
Offenbar nahm ihn niemand ernst.
Ausgenommen Nikki Gillette. Das Mädchen, dem der Vater den Spitznamen Feuermelder gegeben hatte. Wahrscheinlich wegen ihres rot-blonden Haars und ihres Temperaments. Sie war klug, sexy und scheute sich nicht, sich das zu nehmen, was sie wollte – eine Frau, mit der man rechnen musste.
Sie war scharf auf eine Story, und die würde er ihr besorgen – die Story ihres Lebens. Und ihres Todes.
Er ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken und richtete den Blick auf den flackernden Monitor. Bilder, die er geschaffen hatte – ein Bildschirmschoner mit den Fotos von Bobbi Jean Marx, Pauline Alexander, Thomas Massey und Roberta Peters –, tanzten über den schwarzen Hintergrund, und alle drei Sekunden wurden die Körper zu Skeletten, zerfielen dann zu Asche und fügten sich dann wieder zu den ursprünglichen Bildern zusammen.
Nach jeder erfolgreichen Beerdigung hatte der Überlebende die so sorgfältig gesammelten Bilder gescannt und zu der Collage zusammengesetzt.
Es waren vier, aber bald, sehr bald schon, würden weitere Bilder hinzukommen. Er dachte an die Botschaften, die er vor wenigen Stunden verschickt hatte, und lächelte. Seine Hände waren feucht vor Aufregung. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und dachte an seine nächste Entführung.
Einen nächsten Mord.
Er streckte die Hand nach der Anlage aus, schaltete den Kassettenrekorder ein und drückte auf PLAY. Zuerst hörte er ich die Aufnahme von Bobbi Jeans Sterben an, vernahm e Angst, ihre Panik, die Schreie und das Flehen … O ja, das war befriedigend. Er spürte förmlich, wie das Blut durch seine Adern schoss, und er schloss die Augen. Sein Schwanz versteifte sich in freudiger Erwartung. Dann hörte er das Wimmern der alten Frau … Die Hilferufe erregten ihn, ihm wurde heiß, und sein Puls raste. Er dachte an Bobbi Jean. Und an Nikki. Er atmete in kurzen Stößen. Seine Lippen waren trocken, und er befeuchtete sie mit der Zunge.
Wer würde der Nächste sein?
Er strich mit einem Finger behutsam über die durch Plastikfolie
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