Ewig sollst du schlafen
und verabschiedete sich.
»Danke, Pierce. Ich weiß, es ist nicht einfach für Sie … und na ja … mein Beileid, falls … Sie wissen schon.«
Falls sich das Kind als deins erweist.
»Ja, danke.« Er verließ ihr Büro und ging zurück an seinen eigenen Schreibtisch. Sein Kind. War das tatsächlich möglich? Verflucht noch mal, was für ein Chaos.
Sie war in der Küche. Klein, das weiße Haar hochgesteckt, mit einem Buckel, den der Morgenrock nicht verbergen konnte. Die Frau stand am Herd, kochte Wasser, um Tee aufzubrühen. Wie sie es an jedem Dienstagabend tat, dem einzigen Abend, an dem das Dienstmädchen frei hatte. Es war dunkel in dem alten Haus, abgesehen vom bläulichen Schimmer des Fernsehers, der in ihrem Schlafzimmer lief, und dem warmen Licht in der Küche. Der Überlebende beobachtete sie von draußen. Begierig auf das, was folgen würde. Er sah es vor seinem inneren Auge, den Akt des Tötens, und das Blut rauschte in seinen Ohren. Im Schatten einer riesigen Magnolie verborgen streichelte er die große getigerte Katze, die er auf dem Arm hielt, und blickte zum Himmel hinauf. Die Mondsichel stand hoch, war kaum sichtbar durch das Astgewirr und die Wolken hindurch, die über der Stadt hingen. Die Katze war unruhig, versuchte, sich zu befreien. Pech gehabt. Der Wasserkessel pfiff. Der Überlebende hörte das Schrillen durch die Fensterscheiben hindurch. Die Katze bewegte sich, konnte jedoch nicht entkommen. Es war beinahe an der Zeit. Ihm brach der Schweiß aus. Er musste Geduld haben. Nur noch ein paar Sekunden.
Die Hintertür wurde einen Spaltbreit geöffnet. Die alte Frau trat hinaus in den Lichtkegel der Verandabeleuchtung. »Maximus?«, rief sie mit ihrer krächzenden Stimme. »Komm, mein Kleiner.« Die Katze wand sich.
Adrenalin schoss ihm ins Blut. Gleich war es so weit.
Warte. Noch nicht.
»Komm, Kätzchen, Kätzchen … Maximus, du kleiner Schlingel … wo steckst du? Komm, Kleiner, komm, Kätzchen.« Ihre Stimme klang besorgt, und sie schlurfte von einem Ende der Veranda bis zum anderen und spähte hinaus in die Dunkelheit und in das dichte Gestrüpp ihres Gartens. Die Katze in seinen Armen versuchte weiterhin zu entfliehen.
Noch nicht. Jetzt noch nicht.
In seinen Ohren pochte es. Dröhnte. Er regte sich nicht. Gab kein Geräusch von sich. »Ach, verflixt noch mal, du ungezogener Bengel, wirst du wohl reinkommen …«
Jetzt!
Mit einer flinken lautlosen Bewegung schleuderte er die Katze über den Zaum.
Das Tier kreischte.
»Maximus? Was zum Kuckuck …?«, fragte sie und hastete die Treppe hinunter. Als sie zum Törchen lief, scharrten ihre Hausschuhe auf dem gepflasterten Weg. Er griff in seine Tasche. Behandschuhte Finger fanden die vorbereitete Spritze.
»Komm her, Bengelchen. Kätzchen, fehlt dir was?« Sie machte sich am Schloss zu schaffen, und er sprang aus dem Schatten. Sie schrie.
Mit einer Hand hielt er ihr den Mund zu. Sie wehrte sich, war erstaunlich stark für solch eine alte, dünne Frau. »Zeit, deinem Schöpfer gegenüberzutreten, Roberta«, flüsterte er mit rauer Stimme nahe an ihrem Ohr. Daraufhin kämpfte sie noch verbissener; ihr Körper wand sich verzweifelt in seiner Umklammerung. Doch sie war ihm nicht gewachsen.
Mit der freien Hand trieb er die Nadel in ihren dürren Arm, durch den seidigen Stoff ihres Morgenmantels hindurch. Sie kämpfte, schüttelte den Kopf und warf ihn nach hinten. Dann sah sie ihm ins Gesicht. Ein Moment des Erkennens, der Bestürzung und Verzweiflung, dann biss sie in seinen Handschuh. Und zwar heftig. Ihre Zähne durchdrangen das Leder.
Schmerz schoss in seine Handfläche. »Miststück!«, fauchte er.
Ihr letzter Versuch, sich zu ducken und zu entkommen, erfolgte zu spät.
Die Spritze war bereits gesetzt.
Ihre Augen verdrehten sich. Ihr Kiefer erschlaffte. Dir Körper sank in sich zusammen.
Er warf sie sich über die Schulter. In dem Moment schoss die Katze fauchend aus dem Gebüsch und funkelte ihn böse an. Sein einziger Zeuge. Das dumme Vieh begriff natürlich nicht, dass es sein Frauchen nicht lebend wiedersehen würde. Niemand würde sie lebend wiedersehen.
7. Kapitel
D u nennst den Kerl den ›Grabräuber‹?«, fragte Tom Fink, rückte seine Lesebrille zurecht und studierte die endgültige Fassung von Nikkis Artikel über das Verbrechen in Lumpkin County. Es war später Abend, und die Morgenausgabe sollte bald fertig sein. Nikki trat von einem Fuß auf den anderen. Er stand ihr gegenüber auf der anderen Seite des
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