Ewig sollst du schlafen
Arbeit.«
Nikki konnte es nicht glauben. Ein Kompliment von Tom dem Schrecklichen? Es ging eindeutig voran mit ihrer Karriere. Bevor er es sich anders überlegen konnte, packte sie ihre Sachen und war schon zur Tür hinaus. Draußen hatte sich die Nacht über der Stadt ausgebreitet. Als sie in ihren Wagen stieg, waberte Nebel rings um die Straßenlaternen und Ampeln. Sie drehte den Zündschlüssel, und der Motor stotterte, hustete und gab rasch auf. »Komm schon«, sagte sie leise. Nicht heute Abend. Ihr kleiner Subaru durfte sie jetzt nicht im Stich lassen. Sie drehte den Zündschlüssel abermals, und dieses Mal erwachte der widerspenstige Motor zum Leben. »So ist’s schon besser.« Mit einem erleichterten Seufzer tätschelte sie das Armaturenbrett und rollte vom Parkplatz. Die Straßen waren still. Gespenstisch verödet. Nur hin und wieder begegnete ihr auf dem Heimweg ein Auto. Nikki dachte an den Mann, den sie nach ihrer abrupt abgebrochenen Unterhaltung mit Reed gesehen hatte, und nachdem sie den Wagen vor ihrem Haus geparkt hatte, kramte sie in ihrer Handtasche und fand schließlich das Blatt Papier, das unter ihrem Scheibenwischer gesteckt hatte. Die kurze Botschaft war im blassen Schimmer der Wagenbeleuchtung deutlich zu lesen.
Heute Abend.
Und damit war wohl der heutige Abend gemeint.
War es eine Warnung?
Eine Drohung?
Oder ein harmloser Scherz?
Ihr sträubten sich die Nackenhaare, und sie warf einen Blick in den Rückspiegel. Alles sah aus wie immer. Das alte Haus lag genauso im Dunkeln wie vor achtzehn Stunden, als sie es verlassen hatte. Sie war müde, das war alles. Neigte deshalb zu Überreaktionen. Die Nerven zum Zerreißen gespannt zerrte sie ihren Laptop und die Handtasche aus dem Wagen und lief den Weg entlang zum Tor. Es war aufgeklinkt und schwang leise knarrend im Wind, als hätte es jemand so eilig gehabt, dass er sich die Mühe gespart hatte, es wieder zu schließen. Nikki schlüpfte durchs Tor und schlug den gusseisernen Riegel hinter sich hinunter.
Mit wild klopfendem Herzen hetzte sie den gepflasterten Weg entlang zur Außentreppe und sagte sich, dass sie bescheuert war. Wovor hatte sie Angst? Vor der Dunkelheit? Das war doch lächerlich! Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, sich einem albernen Verfolgungswahn hinzugeben. Mit klappernden Stiefeln stieg sie die Treppe hinauf, und als sie auf dem obersten Absatz angekommen war, nahm sie eine Bewegung wahr, etwas, das durch die Büsche huschte. Sie hätte beinahe geschrien, doch dann erkannte sie Jennings. »Um Himmels willen, was machst du hier draußen?«, fragte sie. Die Katze sprang auf die Treppe und lief mit steil aufgerichtetem Schwanz die letzten Stufen bis zur Wohnung empor. Nikki folgte ihr. Sie hätte schwören können, dass sie die Katze in der Wohnung eingeschlossen hatte.
Oder doch nicht?
Vielleicht hatte sie das Fenster im Bad offen gelassen, damit nach dem Duschen der Dampf abziehen konnte … oder Jennings war, als sie am Morgen die Wohnung verließ, an ihr vorbei nach draußen geschlüpft. Wie auch immer, jetzt stolzierte er miauend vor ihrer Wohnungstür hin und her. »Schon gut, schon gut«, sagte sie und kramte in ihrer Handtasche nach dem Schlüsselbund. »Es ist kalt hier draußen.« Endlich fand sie den verflixten Schlüssel und wollte gerade die Wohnungstür aufschließen, da bemerkte sie, dass die Tür offen war. Kein Wunder, dass die Katze nach draußen gelaufen war. Aber … Die Tür stand nicht etwa einen Spaltbreit offen, sondern war einfach nicht richtig im Schloss. Als wäre jemand in Eile gewesen und hätte sie deshalb nicht richtig zugezogen.
Du zum Beispiel. Heute Morgen.
Sie dachte daran, wie sie aus der Wohnung gerast war, in Schal und Stiefeln, wild entschlossen, Reed zu verfolgen und ihn zur Rede zu stellen. Doch die Tür war hinter ihr zugeschlagen. Sie war sicher, das Klicken des Schlosses gehört zu haben.
Und das Tor hätte auch zuschnappen müssen.
Dir stockte der Atem. Sie spürte nackte Angst bei dem Gedanken, dass jemand in ihrer Wohnung gewesen war, sich möglicherweise immer noch dort aufhielt. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, mit den Fingern tastete sie die Wand ab, bis sie den Lichtschalter fand und ihn betätigte. Es war plötzlich taghell. Bevor Nikki Jennings zu fassen bekam, schoss er durch die Tür. Schnell drückte sie sie zu, steckte den Schlüssel ins Schloss und sperrte ab.
Sie schaute sich um. Niemand hielt sich in den Ecken oder hinter den Vorhängen versteckt.
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