Ewig sollst du schlafen
nur zwei Wörter:
HEUTE ABEND.
Was zum Teufel sollte das heißen?
Der Wind frischte auf und fegte trockene Blätter über die Straße. Ein Auto fuhr vorbei, und Nikki schaute sich um, auf der Suche nach demjenigen, der den Zettel für sie hinterlassen haben mochte. Niemand hielt sich in der Nähe auf. Soweit sie es überblicken konnte, beobachtete sie niemand. Die wenigen Fußgänger, die auftauchten, sahen aus wie Büroangestellte, die durch die Dunkelheit zu ihren Fahrzeugen oder nach Hause eilten. Sie erspähte einen Jungen auf einem Skateboard, eine Frau mit einem Kinderwagen, einen älteren Mann, der seinen Hund Gassi führte, ein jugendliches Pärchen, das schmusend und lachend über die Straße hüpfte. Nikki wandte sich wieder zum Parkhaus um … die Tür schloss sich langsam … Ihre Nackenhaare sträubten sich, obwohl dazu wirklich kein Grund bestand.
Sie verstaute das Blatt Papier in ihrer Handtasche und stieg ins Auto. Für gewöhnlich war sie nicht ängstlich, aber heute lag etwas in der Luft, etwas, das sie nervös machte, und die Vorstellung von Bobbi Jean Marx, zusammen mit einer verwesenden Leiche in einen Sarg gezwängt, machte ihr zu schaffen. Sie war Reporterin. Abgehärtet gegen Schmerz und Leid. Nur wenn Kinder oder Tiere betroffen waren, ging ihr das nahe. Sehr sogar. Ein Mensch, der unschuldigen Lebewesen etwas zufügte, sollte für immer eingesperrt werden. Das Gleiche galt für einen Mistkerl, der eine lebende Frau mit einer Leiche in einen Sarg sperrte. Welche Todesart konnte schlimmer sein? Sie schauderte und fuhr los.
Heute Abend.
Was würde heute Abend geschehen?
»Was zum Kuckuck haben Sie sich dabei gedacht?« Als Reed an die halb offene Tür klopfte und eintrat, stand Katherine Okano hinter ihrem Schreibtisch und blickte aus dem Fenster. Die Bezirksstaatsanwältin hatte die Arme unter der Brust verschränkt und trommelte mit den Fingern der einen Hand gereizt auf den anderen Oberarm. Dann drehte sie sich um. Gebieterisch und entschlossen nagelte sie Reed fest. »Sie kannten Barbara Jean Marx, das Mordopfer, und Sie haben beantragt, sich an den Ermittlungen beteiligen zu dürfen?« Bevor er antworten konnte, fuhr sie fort: »Und sie war schwanger. Das Kind könnte von Ihnen sein. Sie verstehen ja wohl, dass hier ein Interessenkonflikt vorliegt.« Ihre Stimme troff vor Hohn. »Ich will ihren Mörder kriegen.«
»Das bezweifle ich nicht, aber trotzdem lassen Sie ab sofort die Finger von dem Fall.« Sie sah ihn über ihre randlose Brille hinweg an, eine sachliche Frau Mitte vierzig mit blonder Bobfrisur, scharfem Verstand und einem Blick, der jedem bis in die Knochen fuhr.
»Sie sind voreingenommen. Und außerdem war die Frau verheiratet. Derart schlechte Publicity kann die Polizei nicht gebrauchen. Die Presse würde jubeln, wenn sie davon erführe.« Sie zog ihren Schreibtischstuhl heran und setzte sich, wie zum Zeichen, dass das Thema damit abgehakt war. »Keine Diskussionen, Reed. Sie sind draußen.«
»Die Botschaft in dem Sarg war an mich gerichtet. Ich habe kürzlich eine ähnliche Botschaft per Post erhalten, mit gefälschtem Poststempel, vom Colonial Cemetery. Meiner Meinung nach stammen beide von derselben Person. Wer immer der Scheißkerl sein mag, er versucht, mich reinzuziehen.«
Sie sah zu ihm auf. »Was noch mehr dafür spricht, Sie rauszuhalten.«
»Kathy, Sie wissen, dass ich das hinkriege. Ich kann objektiv sein, auch wenn ich persönlich in dem Fall drinstecke.«
»Geben Sie’s auf, Reed. Es kommt nicht infrage.«
»Aber –«
»Und ich schlage vor, dass Sie freiwillig eine DNA-Analyse vornehmen lassen.«
»Ist bereits passiert.«
»Gut. Dann ziehen Sie sich aus dem Fall zurück, Reed. Wir lösen ihn vorschriftsmäßig.« Sie blinzelte. »Verstanden?«
»ja.«
»Na also. Doch falls Sie auf die Idee kommen sollten, hinter meinem Rücken auf eigene Faust zu ermitteln, dann denken Sie daran, dass Ihr Job auf dem Spiel steht. Ich habe den Kopf für Sie hingehalten, als Sie von San Francisco hierher gekommen sind. Machen Sie mich nicht zum Narren.«
»Das würde mir nicht im Traum einfallen.«
»Prima.« Sie schenkte ihm ein ehrliches Lächeln. »Dann sträuben Sie sich also nicht gegen einen Vaterschaftstest und die Vernehmung durch Detective McFee?«
»Ganz und gar nicht«, entgegnete Reed, obwohl er innerlich kochte. Er wusste, dass sie ihn keineswegs anklagte oder verdächtigte, aber es ärgerte ihn, dass sie über ihn verfügte. Er ging zur Tür,
Weitere Kostenlose Bücher