Ewig sollst du schlafen
sie hatte gelacht und war am Ausleger entlang balanciert. Dann zog sie eine Augenbraue hoch. »Ein früherer Freund hat ihn mir geschenkt. Er ist weg, aber von dem Diamanten mochte ich mich nicht trennen«, antwortete sie frech. »Stört das deinen Mann denn nicht?«
»Meinen Exmann.
Ex
«, erwiderte sie spitz. »Immer wieder vergisst du, dass er mein Ex ist. – Doch, es hat ihn gestört, aber das war mir ziemlich egal.« Dann lächelte sie, und ihre Augen blitzten, als hätte sie ihm ein Geheimnis verraten. »Also«, setzte der Sheriff nun an und holte Reed damit in die Gegenwart zurück. »Da steht:
Für Barbara. In ewiger Liebe.
Ein Datum steht da auch. Juni letzten Jahres.«
»Sie hat gesagt, ein früherer Freund hätte ihn ihr geschenkt, aber zu der Zeit war sie meines Wissens noch mit ihrem Mann zusammen.«
»Mhm. Es war ihr Hochzeitstag. Der fünfte. Bedeutend teurer als alles, was man sonst so zum fünften Hochzeitstag verschenkt.«
»Davon versteh ich nichts«, sagte Reed. »Ich auch nicht, aber meine Frau dafür umso mehr. Wie auch immer, ich tippe, ihr Mann hat ihr den Ring geschenkt. Muss ihn noch mal besuchen.«
Also hat sie gelogen. Wieder einmal.
Es wunderte ihn nicht. Ihre gesamte Beziehung, wenn es denn eine gewesen war, hatte auf Lügen basiert. In viel stärkerem Maße, als er vermutet hatte. Er klemmte sich den Hörer zwischen Schulter und Ohr und fragte sich, ob sie außer ihm noch jemanden belogen und dafür schließlich den höchsten Preis bezahlt hatte. Mit ihrem Leben.
»Da kommt ja die Heldin des Tages«, sagte Trina, als Nikki ihre Tasche unter den Schreibtisch warf. Trina rollte mit ihrem Stuhl ein Stück zurück, um Nikki ins Gesicht sehen zu können. »
Zwei
Storys auf der Titelseite.« Sie schnalzte übertrieben mit der Zunge. »Aller guten Dinge sind drei.«
»Du glaubst, du bekommst noch eine Chance? Sobald Pierce Reed liest, was du da verzapft hast, würde es mich nicht wundern, wenn die gesamte Polizeibehörde auf Verschwiegenheit eingeschworen wird und kein Mensch, auch nicht dein privater Deep Throat, mehr mit dir redet.« Mit gesenkter Stimme fuhr sie fort: »Norm Metzger springt im Sechseck. Kaum war Fink eingetroffen, rannte er auch schon in sein Büro. Ein paar Minuten später kam er wutschnaubend wieder heraus.«
Nikki musste sich ein Grinsen verkneifen. Es war ihr egal, wenn sie Norm verärgert hatte. In Bezug auf diese Story waren sie Konkurrenten, sie versuchten beide, Informationen über oder von Reed zu bekommen. Norm war dreimal nach Dahlonega gefahren, um zu recherchieren, und hatte den Zugang zu dem Fall, nach dem er suchte, nicht gefunden. Nikki hatte ihn auch nicht gefunden. Aber sie kam dem schwer greifbaren Detective allmählich näher. Er war nicht mehr ganz so knurrig, wenn sie in seiner Nähe auftauchte, und sie hatte ihn sogar dabei ertappt, dass er sie nicht feindselig betrachtete, sondern eher neugierig, als versuchte er, sie einzuschätzen, beinahe als fände er sie als Frau interessant. Mit einem solchen Blick war sie schon öfter bedacht worden.
Sie erkannte ihn stets sofort. Und fühlte sich nun ein wenig geschmeichelt. Na ja, vielleicht auch sehr geschmeichelt. Reed sah nicht schlecht aus, ein attraktiver Mann war er auf jeden Fall. »Übrigens, falls es dich interessiert, ich habe mit meinem Freund beim WKAM gesprochen«, fuhr Trina fort. »Wegen der Serienmörder-Sache macht man ihnen da die Hölle heiß. Der Geschäftsführer des Senders hat den Nachrichtenredakteur zusammengefaltet, und der hat Dampf bei seinen Reportern abgelassen. Da drüben gehen jetzt alle auf Zehenspitzen.« Trinas Mundwinkel zuckten. »Na, wie fühlt man sich als Mittelpunkt des Interesses?«
»Gut. Aber du weißt ja selbst, was man so sagt«, fügte Nikki hinzu. »Du bist immer nur so gut wie deine letzte Story.« Sie fuhr den Computer hoch, um ihre E-Mails durchzuschauen, und Trina rollte auf ihrem Stuhl zurück in ihre Kabine. Nikki massierte sich den verspannten Nacken. Gott, war sie müde, sie spürte jeden Knochen im Leib. Doch sie musste weiterarbeiten. Nachdem sie Tom Fink letzte Nacht ihre Story gemailt hatte, war sie endlich ins Bett gefallen, und das war gegen zwei Uhr morgens gewesen. Sie schlief tief und fest, und als am Morgen der Wecker lärmte, war sie versucht, ihn einfach auszuschalten und weiterzuschlafen. Doch sie widerstand der Versuchung. Weil sie ihre Story gedruckt sehen wollte, taumelte sie kurz darauf die Treppe hinunter, um die
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