Ewig sollst du schlafen
Nacht musste sie sich auf ihre neue Story konzentrieren.
Sie klaute ein Pommes von Cliffs Teller und fragte: »Woran sind die Opfer denn gestorben?«
»Nichts da, Nikki.« Er schüttelte den Kopf.
»Komm schon, Cliff.«
»Du kennst die Regeln; einige Dinge werden eben geheim gehalten.«
»Weil die Todesursache …«
»… der Öffentlichkeit verschwiegen werden muss. Basta. Wenn du mich weiterhin so bedrängst, Nikki, dann ist unser Treffen beendet.«
»Okay, okay«, gab sie nach und verspeiste das Pommes-Stäbchen. Cliff war ihr als Informationsquelle sehr wichtig, und sie wollte ihn keineswegs verärgern. Damit hätte sie sich nur selbst geschadet. »Also, glaubst du, dass der Grabräuber ein Serienmörder ist?«
»Er hat noch einmal zugeschlagen, nicht wahr? Zwei weitere Leichen in einem Sarg. Mehr sage ich dazu nicht.«
»Dann war also der Grabräuber der Täter.«
Ein Serienmörder! In den Straßen von Savannah!
»Wir wissen es nicht genau, aber ich würde die Lebensversicherung meiner Mutter darauf wetten.«
»O Gott.« Ihre Gedanken überschlugen sich. So viele Informationen. Neue Informationen. Wieder auf der Titelseite. Sie sah die Schlagzeile schon vor sich: SERIENMÖRDER LAUERT IN DEN STRASSEN VON SAVANNAH. Darunter in kleinerer Schrift, aber auch fett gedruckt:
Der Grabräuber schlägt erneut zu.
Tom Fink würde die Story bringen, dessen war sie sicher. Sie brauchte sie nur noch zu schreiben, und sie fügte sich bereits in ihrem Kopf zusammen. Nur die Schwangerschaft machte ihr schwer zu schaffen. Barbara Jean Marx’ Tod war entsetzlich und mit dem Wissen, dass sie ein Kind erwartete, einfach unfassbar. Nikkis Gewissen regte sich, weil sie von dem Grauen des Opfers profitierte. Sie dachte an Phee, ihre kleine Nichte, und schauderte bei dem Gedanken an Bobbi Jeans ungeborenes Kind.
Möglicherweise Reeds Kind.
Es stieg ihr säuerlich vom Magen in den Hals. Vielleicht sollte sie die Story nicht schreiben, darauf verzichten, aus dem Schmerz anderer Menschen Kapital zu schlagen. Aber war sie nicht sogar dazu verpflichtet, die Öffentlichkeit in Kenntnis zu setzen, ja, zu warnen? Sie räusperte sich und fragte: »Die Opfer, kannten sie einander?«
Cliff kaute, tunkte das restliche Brot in die Soße. Er verzehrte das letzte Stückchen und schüttelte den Kopf. »Wir finden keine Verbindung.« Er schluckte. »Noch nicht.«
»Aber du glaubst, dass eine Verbindung besteht. Der Täter hat die Opfer nicht nach dem Zufallsprinzip ausgewählt?« Er fuhr mit einem Fleischstückchen durch die Soße und schob es in den Mund. »Nein, das glaube ich nicht. Schätze, wir werden es erfahren. Bald schon. Der Scheißkerl kommt uns nicht davon.«
»Gibt es bereits Verdächtige? Jemanden mit einem Motiv?«, fragte sie.
»Nicht offiziell«, antwortete er, und es lief ihr kalt über den Rücken. Sie sah Cliff Siebert in die Augen, doch er wandte rasch den Blick ab.
»Pierce Reed wird doch wohl nicht verdächtigt.« Siebert schaute aus dem Fenster.
»Cliff!«, drang sie mit einer Mischung aus Entsetzen und Aufregung in ihn. Nachdem Pierce Reed im vergangenen Sommer den Fall Montgomery aufgeklärt hatte, wurde er von der Bevölkerung nahezu verehrt. Er war der Held der Stadt, wenngleich er, wie ihre Nachforschungen ergeben hatten, in San Francisco nicht eben als Heiliger galt. An der Westküste hatte die Presse ihn vielmehr in den Schmutz getreten. Hatte ihn verurteilt, weil er nicht in der Lage gewesen war, das Leben einer Frau zu retten, die er hatte überwachen lassen. »Ist Reed ein Tatverdächtiger?« Siebert zog die Brauen zusammen und wandte sich ihr wieder zu. Er wies mit dem fettigen Messer auf Nikkis Nase. »Überleg dir genau, was du schreibst, ja?«
»Wie immer«, gab sie zurück, legte einen Zwanziger auf den Tisch und stand auf. Sie kannte Cliff gut genug, um zu wissen, dass das Gespräch beendet war. Er griff nach dem Geld und wollte protestieren. »Bitte, keine Widerrede. Wie du selbst angedeutet hast, es ist schon sehr spät, und ich habe dich aus dem Bett geholt. Danke, Cliff. Ich rufe dich an.«
»Lass es lieber. Das war’s. Ich spiele nicht mehr mit«, zischte er. Den Zwanziger in der Hand sah er Nikki durch seine Brillengläser hindurch böse an. Er hatte die Mauer wieder aufgebaut. »Falls ich diese Ermittlungen zukünftig leite, wirst du dir wohl oder übel einen anderen Informanten suchen müssen!«
17. Kapitel
D u schaffst es einfach nicht, deinen Namen aus den Zeitungen rauszuhalten,
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