Ewig
aus dem Handy.
»Heinrich. Aber Leopold IV. folgte seinem Vater direkt nach dessen Tod nach und eroberte Regensburg, wurde mit seinem Einzug in die alte Hauptstadt Herzog von Bayern. Die Belagerung von Regensburg sehe ich links oberhalb von Leopold III.«, erklärte Sina und unterdrückte das Verlangen, das Gemälde zu berühren, um besser zu deuten, was er sah.
»Ist das nicht ungewöhnlich, Professor? Normalerweise erbt der Erstgeborene, oder etwa nicht?«, setzte der Unsichtbare den Gedanken fort.
»Ja, Sie haben Recht. Aber man erzählt sich, Vater Leopold hätte Heinrich nicht geliebt und darum wäre Leopold …«, überlegte Sina laut.
»Unsinn! Vergessen Sie, was in den Büchern steht, oder lesen Sie zwischen den Zeilen. Wer hat Leopold IV. mehr als Heinrich Jasomirgott geliebt? Wer ist die Schwester des Kaisers? Wer hat die Macht, ihren Sohn in die Position des Herzogs von Bayern zu hieven? Denken Sie logisch, Sina«, befahl die Stimme.
»Agnes. Die Ehefrau …«, grübelte Sina.
»Na, sehen Sie. Die Frau im Bett ist immer stärker als jede Vernunft. Und Sie haben geglaubt, Frauen hielten hier nicht die Schlüssel in der Hand«, lachte der Unbekannte, dann wurde seine Stimme hart und kalt: »Eine Mutter liebt ihren Sohn mehr als ihren Gatten. Was also, wenn der Alte nicht stirbt, kein Zeichen von Krankheit am Leibe hat, in reifen Jahren noch Eber jagt, als wären es Frischlinge? Dazu betreibt er eine Politik für den Papst, gegen den Kaiser, immerhin der eigenen Schwager … Und dann favorisiert dieser Ehemann noch einen anderen Sohn als sie selbst, einen Erben, der die vom Vater eingeschlagene politische Linie treu fortsetzen würde, der also in Agnes’ Augen genauso denkt wie der Mann, dessen Gedankenwelt ihr, bei aller Liebe, ganz und gar verborgen geblieben ist. Dazu kommt noch etwas: Im Grunde ihres Herzens wird mit jedem gemeinsamen Tag die ungebrochene Vitalität dieses Mannes unheimlicher …«
»Wollen Sie mir etwa weismachen, Agnes und ihr Lieblingssohn hätten Leopold III. auf der Jagd umgebracht?«, entrüstete sich der Wissenschaftler.
»Als ob Ihnen der lapidare Eintrag in der Chronik ›auf der Jagd gestürzt‹ nicht auch schon immer seltsam vorgekommen wäre, Professor. Wenn ich mich richtig erinnere, dann ist Ihnen doch auch aufgefallen, dass keiner seiner Zeitgenossen sich über das überraschende Ableben des langlebigen und rüstigen Monarchen entrüstet. Das einzige Kondolenzschreiben an die ›trauernde‹ Witwe kommt nicht aus der Familie, sondern vom Papst. Seltsam, nicht? Hat Sie nicht Ihr Professor damals ziemlich lautstark getadelt, als Sie den Mordverdacht in einer Seminararbeit äußerten?« Sina erinnerte sich nur zu gut.
»Aber unsere Zeit wird knapp, Professor Sina. Ihr Freund Wagner ist gleich im Überwachungsraum des Stiftsmuseums angelangt. An welches Ehe-Szenario eines späteren Landesfürsten erinnert Sie meine Geschichte von Leopold und Agnes?«
»An Kaiser Friedrich und seine Frau Eleonore. Nur, dass sie ihren Mann nicht umgebracht hat, um den kriegerischen Maximilian zum Kaiser zu machen«, flüsterte Sina und fing langsam an zu begreifen, wohin ihn die Stimme führen wollte.
»Ja, wer ist da?« Die Stimme hinter der Tür kam Wagner bekannt vor.
»Machen Sie bitte auf, es ist wichtig, ich bin der Begleiter von Professor Sina und ich muss Sie dringend etwas fragen.« Die Tür öffnete sich einen Spalt breit und Wagner verschwendete keine Zeit, stieß sie mit dem Fuß auf und machte einen großen Schritt in den mit Monitoren überfüllten Raum.
Der junge Student, der Sina vorher begrüßt hatte, schaute ihn mit offenem Mund an. »Was …ist irgendetwas …« Ihm fehlten die Worte.
Wagner schaute sich um. Der Raum war leer.
»Welcher ist Heinrich Jasomirgott?«, drängte der Unsichtbare.
»Da links oben. An Bord seines Schiffes, das ihn nach Jerusalem bringen sollte«, antwortete Sina schnell.
»Professor, Sie sehen und sehen doch nicht. Vorhin haben Sie Ihrem Freund doch gerade die Bedeutungsperspektive erklärt. Warum sollte also der erste von Bayern unabhängige Herzog von Österreich der Zwerg im Bauch des Schiffes sein? Können Sie mir das erklären?«, entrüstete sich die Stimme.
Georg Sina schüttelte den Kopf, kniff die Augen zusammen und musterte die Medaille von Heinrich Jasomirgott erneut.
»Als Sie als Kind zum ersten Mal diese Szene in Ihrem Schulbuch gesehen haben, wer glaubten Sie, wäre Heinrich?«, fragte der Fremde nach.
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher