Ewig
unterbrach den Botschafter unvermittelt. »… als Mensch, der es hasst, junge Menschen von den abgetretenen Fliesen eines Kirchenbodens aufsammeln zu müssen, nachdem man sie dreißig Meter tief fallen ließ. Oder einen unbescholtenen Fremdenführer nur mehr anhand seiner Fingerabdrücke zu identifizieren, weil ihm der halbe Kopf weggeschossen wurde.« Berner war wütend. »Und wofür das alles, Exzellenz?«
Weng Huan zog ungerührt an seiner Zigarette und schaute Berner nachdenklich an. »Lassen Sie es mich so formulieren, Kommissar. Das wollen Sie nicht wissen, glauben Sie mir. Es ist besser so. Für Sie.« Der Botschafter stand auf und ging zu seinem Schreibtisch, der bis auf wenige Blätter Papier, eine paar Fotos und ein goldenes Dupont-Schreibset leer war. »Gehen Sie nach Hause, Kommissar, genießen Sie Ihre Pension und überlassen Sie alles Ihren fähigen Nachfolgern. Die werden sicher herausfinden, dass weder das chinesische Volk noch die chinesische Botschaft etwas mit diesen beiden Verbrechen zu tun hat. Das steht für mich außer Zweifel.«
Berner stand auf und trat vor den Botschafter. »Sagen Sie mir eines, Exzellenz. Womit haben Sie das Innenministerium gekauft? Oder war es noch höher? Geht es um so wichtige nationale Interessen der Volksrepublik, dass ein paar Leichen mehr oder weniger keine Rolle spielen? Und die österreichischen Behörden mitmachen, weil man ihnen etwas versprochen hat, etwa eine Präferenz bei Exporten nach China? Oder die bevorzugte Behandlung bei Ausschreibungen für Lieferungen für das chinesische Militär?«
Die Miene des Botschafters war undurchdringlich. »Die Audienz ist beendet, Herr Berner. Ich glaube nicht, dass wir uns wiedersehen.«
Wie auf ein Stichwort betrat der Sekretär den Raum und forderte den Kommissar mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen. Berner überlegte kurz, stützte sich dann mit beiden Händen auf den großen Schreibtisch und sah Weng Huan in die Augen.
»Ich verspreche Ihnen eines, Exzellenz. Ich werde alles in meiner Macht Stehende unternehmen, diese beiden Morde aufzuklären. Staatsräson interessiert mich nicht, das hat sie nie, dafür war ich immer ein zu kleines Rädchen. Wenn ich bei meinen Recherchen das herausfinde, was ich vermute, dann lege ich Ihnen so viele Beweise vor die Tür, dass Sie über den Aktenstapel nicht mehr in Ihre Botschaft hineinkommen. Und dann, Exzellenz, dann zünde ich Ihnen das diplomatische Parkett unter Ihren Füßen an.«
Damit drehte sich Berner um und folgte dem Sekretär zum Aufzug. Während die beiden Männer wortlos nach unten schwebten, griff der Botschafter wütend zum Telefon und wählte eine Geheimnummer, die er auswendig kannte.
Berner atmete auf, als er wieder auf der Straße vor der Botschaft stand. Das Gewicht des Colt im Schulterhalfter hätte ihn eigentlich beruhigen sollen, tat es aber nicht. Er machte sich auf den Weg zu seinem Auto und überlegte sich den nächsten Schritt. Es wurde spät, aber der junge Pfarrer im Schottenstift würde noch im Museum sein. Er würde ihm seinen Ausweis vor die Nase halten und … sein Ausweis! Berner klopfte seine Manteltaschen ab, dachte nach. Wo zum Teufel hatte er seinen Ausweis gelassen? Dann fiel es ihm wieder ein. Der Bankmanager hatte doch eine Kopie gemacht und dann? Der Ausweis musste in der Bank liegen. Berner schloss seinen Wagen auf und schaute sicherheitshalber im Handschuhfach nach. Nichts. Der Kommissar fluchte. Zur Bank würde er es noch vor Geschäftsschluss schaffen, aber nur ganz knapp und nur, wenn er sich beeilte. Es war gut eine halbe Stunde Fahrt, inklusive Parkplatzsuche. Berner startete den Wagen und machte sich auf den Weg. Keine fünfzehn Minuten später klingelte das Telefon und Berner suchte frenetisch mit einer Hand in seinem Mantel, der auf der Rückbank lag, nach seinem Handy. Er hatte es schon fast aufgegeben, da spürte er es in der Innentasche, zog es umständlich heraus, während er versuchte, einem Pensionisten, der vor seinem Wagen auf die Fahrbahn gesprungen war, das Weiterleben zu schenken.
»Ja!«, brüllte er entnervt ins Telefon.
»Ich dachte schon, die haben Sie bereits kassiert, Herr Kommissar«, sagte die Stimme am anderen Ende erleichtert.
»Eddy! Was heißt das, bereits kassiert?« Berner hörte die Besorgnis in der Stimme des alternden Ringers und war sofort alarmiert.
»Der alte Sina will Sie von der Straße haben.« Eddy hielt sich nicht mit langen Vorreden auf. »Sie müssen einigen Leuten auf die
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