Ewig
Die Legende war zurück und sie waren dabei gewesen, als plötzlich die Tür aufging und ein langhaariger Mann mit Bart und schmutzigen Jeans in das Institut platzte, im Schlepptau die lächelnde Sekretärin des Dekans.
Er musste sich eingestehen, dass er sich nicht unwohl fühlte an seinem alten Institut, also umarmte sie ihn doch und wies ihn nicht zurück? Mit einem Mal erinnerte er sich an Clara, wie sie vor neun Jahren auch hier gestanden hatte, in so einer Diskussionsrunde, eine von den neuen Studentinnen des Jahres 1999. Wunderschön, intelligent und mit einer Ausstrahlung, die ihn einfach sprachlos gemacht hatte. Und Sina hatte etwas getan, was er weder vorher noch nachher jemals wieder getan hatte – er hatte sich auf den ersten Blick verliebt. Paul hatte es sofort bemerkt, sein Jugendfreund war wie ein Seismograf, wenn es um Sina und seine Gefühle ging.
Professor Meitner riss ihn aus seinen Gedanken. »Was führt dich zu uns, Georg? Wolltest du nachschauen, ob hier alle arbeiten? Oder willst du dein Seminar wieder aufnehmen? Du könntest morgen …« Sina unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Kann ich dich unter vier Augen sprechen, Wilhelm?«
»Aber natürlich, komm in mein Büro.« Der Kreis der Studenten öffnete sich und Meitner ging voraus. Als Sina ihm folgte, schauten alle Augen auf die Rückseite seiner zerschlissenen Jacke. Dort stand »instant human«, darunter »just add coffee«.
Als Berner vor dem Schottenstift abstieg, fehlten ihm die Worte. »Ähh …das ist …ich meine …das war …«
Wagner setzte den Vollvisierhelm ab und schaute in Berners rotes Gesicht, über dem die Haare nach allen Seiten abstanden.
Der Kommissar setzte erneut zum Sprechen an. »Wagner, das Teil ist waffenscheinpflichtig, das ist Ihnen klar, oder?«
»Schon gut, Kommissar, ich nehme das als einen Dank an die Kavallerie«, grinste der Reporter und stieg ab.
»Wie viel PS hat diese Rakete oder ist das ein Staatsgeheimnis?«, brummte Berner, der sich langsam wieder in der Welt zurechtfand, die nicht mehr mit irrwitziger Geschwindigkeit an ihm vorbeiströmte, sondern wunderbarerweise angehalten hatte.
»In der Version für Erwachsene knapp 170, bei einem Kampfgewicht von rund 200 Kilo. Das Leistungsgewicht eines Formel-1-Boliden ist auch nicht viel besser«, antwortete Wagner und klappte die Beifahrerfußrasten hoch.
Berner schüttelte den Kopf. Dann streckte er dem Reporter seine Hand hin. »Ich schulde Ihnen etwas, Wagner. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das einmal sagen werde, aber in den letzten Tagen hat sich viel verändert.«
Der Reporter schüttelte dem Kommissar die Hand. »Wo werden Sie heute Nacht bleiben? Nach Hause können Sie besser nicht, die werden auf Sie warten …«
Berner zuckte mit den Schultern und Wagner holte daraufhin einen Schlüsselbund aus seiner Lederjacke. Er nahm einen Schlüssel ab und hielt ihn Berner hin. »Hier, das ist der Schlüssel zur Remise, ich hab noch einen. Quartieren Sie sich in einem Gästezimmer ein und machen Sie nicht auf, wenn fremde Männer an der Tür sind, o.k.?«
Berner lächelte, nahm den Schlüssel und steckte ihn ein. »Danke, wir sehen uns heute Abend.«
Wagner lachte laut. »Das klingt wie ein altes Ehepaar, Kommissar.«
»Machen Sie sich ja keine Hoffnungen«, brummte Berner, drehte sich um und machte sich auf den Weg ins Schottenstift. Doch dann kehrte er plötzlich um, griff in die Innentasche seines Mantels und zog den weißen Umschlag heraus. »Besser Sie nehmen das, Wagner. Mertens würde sicher wollen, dass Sie und Sina das lesen.«
Universitätsprofessor DDr. Wilhelm Meitner, von seinen Studenten respektvoll »Wilhelm, der Streitbare« genannt, hörte Sina aufmerksam zu und bohrte derweil hingebungsvoll und mit verzücktem Gesichtsausdruck in seinem rechten Ohr. Hin und wieder schüttelte er den Kopf, erst erstaunt und dann schockiert. Professor Meitner war skurril, um es mit den Worten seiner Studenten auszudrücken, aber einer jener Genies, die Forschung und unkonventionelles Querdenken an erste Stelle rückten und dafür sorgten, dass beides auch da blieb. Als Sina ihm in schnörkellosen Worten die Ereignisse der letzten Tage schilderte, von den Morden berichtete, von dem missglückten Attentat in der Remise und Friedrichs Geheimnis, dem sie in der Ruprechtskirche, auf dem Schottenaltar und in den Medaillen des Babenberger Stammbaums auf die Spur gekommen waren, schien Meitner wie abwesend, aber Sina wusste, dass der Schein
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