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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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jungen Pater am Arm, zog ihn hoch und hinter sich her zum Beichtstuhl, der neben den vorderen Bankreihen stand. Es war eine Art dreiteiliger Wandschrank, dessen beiden Seitenteile offen waren, die Vorhänge zurückgezogen. Berner stieß den Pfarrer in eines der offenen Abteile und der sackte auf der Sitzfläche zusammen, schwitzend und zitternd.
    »Es wird Zeit, Ihre Seele zu erleichtern, Hochwürden. Vor wem haben Sie so große Angst? Vor den Todesengeln? Vor Pater Johannes? Der ist bereits …«
    Ein heftiger Schlag traf Berner am Hinterkopf, vor seinen Augen explodierte eine Kaskade von Blitzen und Feuerbällen und dann kamen schnell die Dunkelheit und das endlose Fallen ins Nichts.
    Dankbar und ungläubig schaute der Pfarrer die Gestalt an, die sich über Berner beugte. Es war nur ein Schattenriss gegen das Licht der Kirchenfenster. »Danke, danke …« war alles, was der Geistliche hervorstotterte. Eine Welle der Dankbarkeit durchflutete ihn, diese Gestalt, die er durch seine Tränen und die Schweißtropfen nur verschwommen sehen konnte, war sein Retter, sein Erlöser, sein … Doch plötzlich kehrte die Angst zurück, Horror machte sich in seinen Eingeweiden breit und er wollte sich noch tiefer in den Beichtstuhl verkriechen. Die Gestalt hielt Berners Waffe in der Hand, trat näher, zielte kurz und drückte ab. Die Gewalt des Schusses riss den Pfarrer von seinem schmalen Sitz und er sackte am Boden des Beichtstuhls zusammen. Der Schuss donnerte durch die Kirche wie ein Kanonenschlag, brandete an die hohen Fenster und wurde wieder zurückgeworfen.
    Die unbekannte Gestalt bückte sich erneut zu Berner herunter, drückte ihm den Colt in die Hand und verließ mit raschen Schritten durch die Sakristei und einen Seitenausgang die Kirche.
    Professor Wilhelm Meitner lächelte nachsichtig. »Also die Geschichte vom österreichischen Franziskanerpater Oderich aus dem heutigen Pordenone, der eine Generation nach dem Venezianer Marco Polo in das Reich der Mitte gereist ist, ist dir sicher bekannt, Georg. Da brauche ich dir nichts mehr darüber zu erzählen.«
    »Nein. Ganz im Gegenteil«, erwiderte Sina, »sag mir bitte alles, was du darüber weißt.«
    »Hmmm …« Meitner legte die Fingerspitzen zusammen und suchte die Fakten zusammen.
    »Soviel mir bekannt ist, kam Oderich nur zweiunddreißig Jahre nach Marco Polos Tod zur Welt. Du weißt ja, dass immer wieder Zweifel aufkommen, ob der Venezianer Polo überhaupt in China gewesen ist. Ein Makel, über den ›unser‹ Oderich vollkommen erhaben ist. Er nämlich war ganz sicher dort, aber leider hatte er das Problem, österreichischer Herkunft zu sein«, scherzte er.
    »Was meinst du damit?«, fragte Sina stirnrunzelnd.
    Meitner breitete die Arme aus, lehnte sich in seinem Sessel zurück und der Schalk blitzte ihm aus seinen Augenwinkeln. »Der typische ›Austriacus ignotus‹, keiner kümmert sich um ihn. Nur ein paar verschrobene Gelehrte, uns beide eingeschlossen, kennen überhaupt seinen Namen. Den Österreichern gilt er als Italiener, aber die wollen ihn gar nicht haben, weil er aus der Gedankenwelt eines Dante Alighieri stammte und sich im Heiligen Römischen Reich verwurzelt gefühlt hat. Als ein treuergebener Untertan von Rudolf von Habsburg sehnte er sich nach den langjährigen Thronwirren seiner Zeit nach einer Ordnung unter habsburgischer Führung.«
    »War Portenau jetzt in Österreich oder nicht? Du verwirrst mich, Wilhelm«, fiel ihm Sina ins Wort.
    »Im Jahr 1192 fiel die Stadt testamentarisch an die Babenberger, 1278 ging sie in den Besitz der Habsburger über, zusammen mit der gesamten Grafschaft Portenau, heute Pordenone. Also ein klares Ja. Oderich, dessen Familie allerdings ursprünglich aus Mähren stammt, brach 1318 aus Udine auf, um zum Großkhan T’ai Ting ti nach Khan Balik zu reisen.«
    »Khan Balik? Wo ist das? In China?« Sina war verwirrt.
    »Beijing, Georg. Oderich wurde nach Beijing geschickt, um die dortige florierende Mission des Franziskanerordens zu erweitern. Faszinierend, nicht wahr?« Meitner war in seinem Element.
    »Im 14. Jahrhundert unterhalten die Franziskaner bereits eine Mission in der Hauptstadt Chinas. Der chinesische Kaiser duldete an seinem Hof Nestorianer, Schamanen, Franziskaner und tibetische Lamas gleichermaßen. Und da erzählen sie uns, die Globalisierung hätte erst in unserer Zeit begonnen …« Der Historiker lachte, dann bemerkte er das verdutzte Gesicht seines ehemaligen Schülers. »Was ist, Georg? Du siehst

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