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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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aus, als hättest du einen Geist gesehen!«
    »Das Drachenviereck! Die Franziskaner Kirche liegt auf dem Drachenviereck, von dem ich dir erzählt habe«, erinnerte ihn Georg kurz. »Wo war Oderich noch, Wilhelm?«
    »Nun ja, er pilgerte zum Berg Ararat, kam durch Aserbeidschan, Indien und gelangte über Sumatra erstmals nach Java und Borneo. Das muss eine gewaltige Betteltour gewesen sein, die er da mit zwei anderen Brüdern bewerkstelligt hat. Vergiss nicht, drei Jahre ist Oderich allein in Beijing geblieben! Danach zog er weiter und es gelang ihm sein Bravourstück: Als erster Europäer besuchte er Lhasa in Tibet. Mehr noch, er war der erste, der Tibet in seiner gesamten Ost-WestAusdehnung durchquert hatte«, schloss der Institutsvorstand nicht ohne Stolz seinen Bericht über den Reisenden.
    »China und Tibet …«, murmelte Sina vor sich hin und begann Dreien mit seinen Fingern auf die Armlehne seines Stuhles zu zeichnen. »… Oderich ist in Tibet gewesen …«
    »Wenn du meinst, dass das von Bedeutung ist …« Meitner dachte kurz nach. »Er war nicht der einzige Österreicher, der im Auftrag der Habsburger in Lhasa war, Georg.«
    »Nicht? Wer noch? Und komm mir jetzt bitte nicht mit Heinrich Harrer.«
    Meitner winkte verärgert ab. »Aber woher! Der Jesuitenpater Johannes Grueber besuchte Lhasa im 17. Jahrhundert, in der Regierungszeit von Kaiser Leopold dem Ersten.«
    Es trat eine kurze Stille ein, Sina malte wieder auf die Armlehne und Meitner war in Gedanken versunken. Dann setzte Sina zum Sprechen an:
    »In Ordnung, Wilhelm. Wenn du Recht hast und Oderich etwas mit Friedrichs Geheimnis zu tun hat, warum hinterließ uns der Kaiser dann keinen direkten Hinweis auf den Franziskaner? Warum nur ein abartiger Killer in der Gegenwart?«
    Meitner zuckte mit den Schultern. Dann fiel ihm etwas ein und er fragte: »Wie hieß der Habsburger, der als erster die Heiligsprechung Leopolds III. erfolglos betrieben hat?«
    »Rudolf IV., der Stifter«, antwortete Sina wie aus der Pistole geschossen. »Er gründete unsere Universität und ließ den Stephansdom ausbauen, den ursprünglich Heinrich Jasomirgott im romanischen Stil errichten hat lassen. Und er fälschte den zweiten, großen österreichischen Freiheitsbrief, das Privilegium maius, das auf dem ersten, dem Privilegium minus, wiederum aus der Regierungszeit von Jasomirgott, basiert. Aber bei der Heiligsprechung versagte er.«
    Meitner nickte, stand auf und begann in seinem Büro auf und ab zu gehen. »Es ist Friedrich, der den Kanonisationsprozess des heiligen Leopold abschließt … und die schamlos ehrgeizige Fälschung seines Vorfahren rückwirkend für rechtsgültig erklärt«, erinnerte ihn Meitner.
    »Und es ist Friedrich, der sich im Stephansdom ein Grabmal errichten lässt«, ergänzte Sina und begriff, worauf der Institutsleiter hinauswollte.
    »Genau! Friedrich setzte die Arbeit des maßlos ambitionierten, jung verstorbenen Rudolf fort. Rudolf seinerseits baut scheinbar auf Heinrich Jasomirgott auf. Das wirkt wie eine logische Kette, ohne Zweifel. Und jetzt rate einmal, wo Rudolf der Stifter 1360 einen weiteren Dom, einen imposanten Zeitgenossen des Stephansdoms bauen ließ?«
    »Etwa in Portenau?«, fragte Sina zaghaft.
    »Exakt!«, begeisterte sich der renommierte Historiker. »Wie ich dich kenne, willst du aber einen direkten, unmittelbaren Hinweis von Friedrich auf Portenau und die beiden Kirchen von Rudolf sind dir nicht genug. Auch gut, dann – hier ist er! Erinnere dich an die Schilder und Helme, die Friedrich über seinem Grab im Stephansdom hat anbringen lassen. Neben den bedeutendsten Kronländern wie Österreich, Kärnten, Steiermark und Krain zeigt einer der Schilde das Wappen der Stadt Portenau.«
    Sina erinnerte sich an die Helme und Schilde, die zur 850. Jahrfeier des Stephansdoms an ihren angestammten Platz in der Grabkapelle Kaiser Friedrichs ausgestellt gewesen waren. Unter den hohen, dunklen gotischen Kreuzrippen hatten der rote marmorne Sarkophag Friedrichs, darüber die bunten Schilder und die goldenen Stechhelme mit ihren hohen Helmzieren ein imposantes Bild geboten. Und dann war da das Wappen Portenaus gewesen, eine geöffnete Türe auf rot-weiß-rotem Schild. Er hatte damals nicht verstanden, warum die reiche Handelsstadt einen Platz unter den wichtigsten Erbländern Österreichs erhalten hatte.
    »Ja, natürlich, du hast vollkommen Recht, Wilhelm«, bestätigte Sina. »Das war der Hinweis von Friedrich.« Er dachte kurz nach. »Aber

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