Ewig
damit beschäftigt, ein Gesteck mit roten Rosen zu binden, während sie, den Hörer zwischen Schulter und Ohr geklemmt, lachend telefonierte. Die ältere Dame in der Touristen-Information zog gelangweilt ihre Jacke enger um sich und fröstelte. Valerie stutzte. Stadt-Information. Vielleicht waren Wagner und Sina zur Information gegangen und hatten nach der Richtung gefragt? Sollte sich die Mitarbeiterin vielleicht erinnern können? Goldmann sprang auf und rannte zu dem kleinen offenen Kiosk, wo die ältere Dame schon erwartungsvoll in ihre Richtung blickte und mit einem geübten Griff einen Stapel Prospekte aus dem Fach vor ihr zog.
Allgemeines Krankenhaus, Wien/Österreich
K ommissar Berner hatte sich nach dem missglückten kulinarischen Erlebnis des Mittagessens entschlossen, zur Entschädigung ein kurzes Schläfchen zu halten. Als er wieder die Augen öffnete, weil ihn ein Geräusch geweckt hatte, saß ein Besucher auf dem Sessel neben seinem Bett und Berner glaubte zu träumen. Er schloss die Augen kurz und öffnete sie wieder. Der Traum blieb.
»Sie müssen sich im Zimmer geirrt haben«, grummelte der Kommissar. »Pater Johannes lag auf 2045.« Berner machte eine effektvolle Pause. »Die Betonung liegt auf ›lag‹ …«, setzte er nach.
Polizeipräsident Dr. Sina schaute Kommissar Berner nachdenklich an und schwieg.
»Wie lange sitzen Sie eigentlich schon da und genießen die Aussicht auf einen kranken, pensionierten Kriminalbeamten unter Mordverdacht?«, fragte Berner mürrisch und setzte sich auf. Zu seiner Erleichterung blieb das Zimmer still und rührte sich nicht. Es geht aufwärts, dachte er dankbar und griff nach der Schachtel Zigaretten in seinem Nachtkästchen. »Hat sich der chinesische Botschafter beim Innenminister beschwert, über Staatsräson und internationale Hilfestellung schwadroniert und seine übliche Show der Überheblichkeit abgezogen? Darin ist er nicht schlecht, ich habe ihn vor Kurzem bei einem Gastspiel erlebt«, kommentierte Berner provokant und zündete sich eine Zigarette an. »Und dann hat der Innenminister …?« – der fragende Blick des Kommissars ließ Dr. Sina nur stumm nicken – »… der Innenminister hat also bei Ihnen angerufen und das bekannte Spiel mit ›das müssen Sie doch verstehen‹ und ›es ist im Interesse Österreichs‹ oder sogar ›im europäischen Interesse‹ angeleiert. Habe ich Recht?«
Dr. Sina stand seufzend auf und ging zur Tür des Krankenzimmers, öffnete sie, schaute hinaus und schloss sie leise wieder. »Ja, Sie haben Recht, Kommissar, fast wortwörtlich.« Er griff in seine Jackentasche und zog etwas heraus, das Berner nicht erkennen konnte. Dann fragte er: »Was wollen Sie eigentlich, Kommissar? Wohin führt dieser Kreuzzug des pensionierten Kriminalbeamten Bernhard Berner? Kämpfen Sie vielleicht gerne gegen Windmühlen und ich habe nie etwas davon gewusst?«
Berner drehte sich zu Sina und ließ seine Beine aus dem Bett baumeln. Er fragte sich, warum Spitalsbetten immer so hoch sein mussten. »Ich werde Ihnen jetzt eine Geschichte erzählen, Dr. Sina, eine Geschichte, die fünfhundert Jahre alt ist und in der unter anderem Ihr Sohn eine Hauptrolle spielt, in der die Chinesen das Drehbuch geschrieben haben und ein sechszackiger Stern das Zeichen der Todesengel ist. Es ist keine schöne Geschichte und so wie es aussieht, wird es kein Happy End geben. Sie werden nicht einmal einen kleinen Teil davon verstehen und ich gebe zu, mir geht es nicht besser. Aber ein österreichischer Kaiser mit einer geradezu teuflischen Phantasie zieht in dieser Geschichte die Fäden und nur Paul Wagner gemeinsam mit Ihrem Sohn haben eine kleine Chance, sein Geheimnis zu enträtseln.«
Der Polizeipräsident schaute Berner aus großen Augen völlig verständnislos an.
Der Kommissar fuhr unbeirrt fort: »Aber wenn sie es enträtseln, dann werden sie nicht mehr lange genug leben, um es mir oder Ihnen mitzuteilen. Haben die Chinesen Ihnen nicht auch gesagt ›das wollen Sie nicht wissen‹? Genau um dieses Geheimnis kämpft derzeit die mächtigste Wirtschaftsnation der Welt und sie geht über Leichen, um es endlich gelöst zu bekommen.« Berner machte eine Pause und zog an seiner Zigarette. Dann sagte er: »Das Problem ist nur, wir wissen alle nicht, was es mit dem großen Geheimnis auf sich hat. Dazu brauchen die Chinesen Wagner und Ihren Sohn. Die beiden haben alle gegen sich, darunter einen zu allem entschlossenen Orden, die Zeit und die
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