Ewig
zuckte mit den Achseln und klappte den Laptop zu. Er hatte für Elena die neuesten Entwicklungen in einem langen Artikel mit dem Titel »Das Geheimnis des ersten chinesischen Kaisers« zusammengefasst und war von Eddys Anruf dabei unterbrochen worden. Jetzt war der Bericht auf dem Weg über den Atlantik und Paul wandte sich dem opulenten Frühstücksbuffet zu. »Ach, stell dich nicht so an, Georg. Früher oder später hättest du sowieso deinem Vater einen Besuch abstatten müssen.«
»Ja, später«, antwortete Sina trocken und köpfte mit einem Schlag sein weiches Ei. Sie waren gestern Abend noch bis in die Grazer Innenstadt gefahren und hatten eine Suite im luxuriösen Hotel »Zum Dom« nahe der Burg gebucht. Nachdem Tschak als vierbeinige Alarmanlage die Aufgabe der Bewachung sehr ernst genommen und bei jedem, der an der Zimmertüre vorbeigegangen war, gebellt hatte, waren Paul, Georg und Valerie beruhigt in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen.
Paul hatte sich gerade für den Graved Lachs vom Buffet entschieden, als Valerie mit Tschak von einem Spaziergang durch die umliegenden Gassen zurückkam.
»Draußen ist es zwar kalt, aber wenigstens regnet es heute nicht«, meinte Goldmann und schnupperte erfreut den Kaffeeduft und das Aroma der frischen Brötchen. »Und ich habe niemanden Auffälligen gesehen, der in Autos herumsitzt und auf uns zu warten scheint.«
»Man wird geradezu paranoid mit der Zeit«, grummelte Sina und als Valerie mit an den Tisch kam, erzählte Paul vom Eddys Anruf und Berners Besuch in der Villa in der Agnesgasse.
»Du meinst, er ist dort eingebrochen?«, fragte Georg überrascht und ein wenig zu laut. »Das passt so gar nicht zu ihm. Berner muss die Angriffe auf ihn wirklich persönlich genommen haben, da kennt er keinen Spaß. Jetzt haben die Bewahrer einen Feind mehr. Ich bin gespannt, was er entdeckt hat.«
Valerie strich Butter auf ihr Brötchen und löffelte Marmelade drauf, bis eine dicke Schicht entstanden war, die an der Seite heruntertropfte. »Ich glaube, langsam möchte ich diesen Kommissar Berner kennen lernen. Er klingt interessant«, sagte sie und als Paul sie grinsend anschaute, weil ihr die Marmelade über die Finger rann, fügte sie entschuldigend hinzu: »Wer weiß, wann wir wieder Zeit zum Essen haben. Ich sorge nur vor.«
Irgendwo im gut besuchten Frühstücksraum klingelte ein Handy. Drei Männer, die sich angeregt unterhielten, unterbrachen ihr Gespräch und einer zog sein Mobiltelefon aus der Tasche und nahm das Telefonat an. Er lauschte schweigend und legte wieder auf, ohne ein Wort gesprochen zu haben. Auf eine unmerkliche Kopfbewegung hin standen die drei auf und verließen eilig den Raum. Tschak, der unter dem Tisch eingerollt geschlafen hatte, wachte auf, hob kurz den Kopf und schaute ihnen nach.
Vom Hotel zur Grazer Burg waren es keine fünf Minuten zu Fuß. Valerie hatte ihre Sporttasche im Wagen gelassen und Tschak zur Bewachung auf dem Rücksitz. Als sie vor dem großen Tor der Burg mit dem charakteristischen Rundbogen standen, zog Georg das Vermächtnis Mertens’ aus der Tasche und zitierte:
»Dies ist der zweite Weg, den Du beschreiten kannst, um zum Licht zu kommen. Wählst Du den, dann rate ich Dir nur: Geh nach Graz! Beschreite den doppelt gewundenen Weg nach oben!« Der Wissenschaftler faltete die Blätter wieder zusammen und sie betraten den hellen, gepflasterten Burghof.
»Ich habe mich an diese Zeilen erst gestern wieder erinnert, nachdem Paul den Umschlag in seiner Jackentasche gefunden hatte. Mertens ist den Weg schon vor uns gegangen und er hat uns in seinem Vermächtnis mit der Nase draufgestoßen. Graz musste unsere nächste Station sein und der doppelt gewundene Weg nach oben konnte nichts anderes als die Doppelhelix-Wendeltreppe sein, die Friedrichs Sohn Maximilian knapp nach dem Tod Friedrichs erbauen ließ.«
»Doppelhelix? Was meinst du damit?«, erkundigte sich Paul und Valerie zeigte auf die Buchstaben AEIOU, die gemeinsam mit der Jahreszahl 1493 auf einer der Wände der Burg eingraviert waren.
»Nun, es sind zwei parallel laufende Treppen, die symmetrisch nach oben steigen, wie eine Doppelhelix. Sie starten am gleichen Punkt und sie enden auch an ein und demselben Punkt, nur drei Stockwerke weiter höher. Zwei Wege nach oben, um dasselbe zu erreichen«, erklärte Georg und betrachtete die in die Burgmauer eingelassene Steintafel mit dem AEIOU.
»Wenn ich mir diese Gravur ansehe, dann wird mir eines sofort klar. Die
Weitere Kostenlose Bücher