Ewige Nacht
Denk?«
»Ja. Und?«
»Wir sind hier, weil wir von unseren europäischen Kollegen um Amtshilfe gebeten worden sind. Wir können nicht über Hintergründe sprechen, aber wir möchten Sie bitten, uns etwas über Doktor Denk zu erzählen.«
Raubers Blick wurde schärfer. »Ralf war … ein außerordentlicher Wissenschaftler.« Rauber nieste und zog ein Taschentuch hervor. »Entschuldigung … Aber als Mensch war er nicht ganz einfach. Warum fragen Sie?«
»Könnten Sie uns kurz sagen, woran Ralf Denk genau arbeitete?«
»Er hatte sich bei uns auf immunologische Verhütungsforschung spezialisiert.«
»Ist es möglich, dass Ralf Denk Ihr Labor zu eigenen Zwecken benutzt hat?«
Rauber sah die Männer noch verwunderter an als zuvor. »Wie meinen Sie das?«
»So, wie ich es gefragt habe. Hätte er das Labor zum Beispiel nachts auf eigene Faust benutzen können?«
»Bei uns wird oft nachts und am Wochenende gearbeitet. Unsere Leute sind äußerst motiviert. Aber ich glaube nicht, dass man bei uns heimlich etwas tun könnte …«
Der Agent zeigte Rauber das Schwarzweißfoto, das er aus seiner Aktenmappe genommen hatte. »Sagt Ihnen dieses Bild etwas?«
Der CIA-Beamte schaltete seine Taschenlampe an und leuchtete auf das Foto.
Rauber sah sich die 42000fach vergrößerte Elektronenmikroskopaufnahme von bandartigen Viren an.
»Ich kenne solche Viren nicht. Ist das eine Trickaufnahme? Das heißt, etwas Bekanntes haben sie … Sind das Filoviren?«
Der Agent steckte die Aufnahme weg. »Warum hat Denk bei Ihnen aufgehört?«
Rauber schnäuzte sich die rote Nase. »Wenn ich sage, er ist ein schwieriger Mensch, meine ich das wörtlich. Es war unmöglich, mit ihm auszukommen. Er war ein einsamer Wolf. Forschung ist aber Teamarbeit, und dazu ist er nicht fähig.«
»War Denk auf irgendeine Art … fanatisch?«
»Allerdings. Ein guter Wissenschaftler ist fanatisch. Warum interessieren Sie sich für ihn?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Noch ein paar Fragen.«
36
Im Militärkrankenhaus der US-Marine in Neapel ging Timo neben einem hochgewachsenen amerikanischen Offizier einen Gang entlang. Er trug ein Schild mit der Aufschrift B ESUCHER um den Hals, das mit einer Digitalaufnahme seines Gesichts versehen war.
Sie blieben vor einer Tür stehen. Der Offizier öffnete sie mittels Iris-Erkennung. Die schwere, abgedichtete Stahltür drehte sich zur Seite, und sie betraten einen kleinen Raum mit Stahlwänden. Die Tür schloss sich wieder. Die bevorstehende Begegnung machte Timo nervös, außerdem mochte er diesen Ort überhaupt nicht.
»Das hier ist die Druckkammer«, sagte der Offizier. »Wir gehen jetzt in den Unterdruckbereich weiter. Dort gibt es aus Sicherheitsgründen keinen Luftstrom nach draußen.«
Timo hatte bisher nicht gewusst, was Isolierstation bedeutete. Er spürte einen leichte Lufthauch auf dem Gesicht. Sie traten in einen Gang am anderen Ende der Kammer. Er war mit blauem Licht erleuchtet.
»Das UV-Licht verhindert die Vermehrung der meisten Viren.«
An der Wand hingen ein gelb-schwarzes Symbol aus drei spitz zulaufenden Formen und ein Schild mit der Aufschrift B IOSAFETY L EVEL 2.
Im Umkleideraum setzten sich die Männer auf gegenüberstehende Bänke, legten ihre Kleider ab und zogen sich grüne Einweghosen und -hemden, Papierhauben, Latexhandschuhe und einen Atemschutz an.
Timo kam sich vor wie eine übergewichtige Papierpuppe. Musste das wirklich sein?
Sie gingen weiter, einen immer schmaler werdenden Gang entlang, bis sie wieder vor einer Stahltür standen. Dort hing ein Schild mit der Aufschrift B IOSAFETY L EVEL 3.
Der Offizier öffnete auch diese Tür per Iris-Erkennung. Sie betraten einen Kontrollraum voller medizinischer Geräte mit Monitoren und Fernsteuerungen, mit denen die Flüssigkeitsversorgung des Patienten geregelt wurde. Durch die Isolation hindurch verliefen Kabel und Schläuche in das Quarantänezimmer, das durch eine dicke Panzerglasscheibe abgetrennt war. Der Vorhang war zugezogen. Dahinter befand sich das derzeit am besten gehütete Geheimnis der Welt.
Inmitten der Apparate standen drei Männer und eine Frau in Einweganzügen.
»Das ist Mr Nortamo aus Brüssel. Er hat die Erlaubnis aus Washington, mit dem Patienten zu sprechen … Doktor Campbell gehört zu den weltweit führenden Filovirus-Experten und ist mit ihren Assistenten für die Behandlung des Patienten zuständig. Mr Levinson ist von der CIA, die Kardinäle Ruggiero und D’Azeglio vertreten den
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