Ewige Nacht
nicht gehen kannst. Sobald wir draußen sind, nimmst du Verbindung auf zu deinen Vorgesetzten.«
»Was ist passiert?«, wollte Noora wissen. Ilgar befreite auch sie von ihren Fesseln.
»Sakombi hat die Ladung gestohlen …« Ralfs Stimme versagte. Er zerrte den Karren dicht an Timo heran.
Timos Herz hämmerte so heftig, dass er kaum fähig war zu sprechen. »Wer ist Sakombi?« Er stand auf und ließ sich kraftlos auf den Karren fallen. »Wo ist die Ladung?«
Ralf und Ilgar zogen den Karren zum Tunnel. Noora ging mit der Lampe voraus.
»Er hat sie jemandem gegeben«, sagte Ralf. »Oder sie selbst behalten. Und er wird etwas gänzlich anderes damit tun, als wir besprochen haben. O Gott!«
Der Karren holperte über den unebenen Boden.
»Wohin kann er sie gebracht haben? Ist er in der Lage, sie zu zünden?«, fragte Timo. »Es gibt Sperrcodes, er kann sie ja nicht so ohne weiteres auslösen …«
»Nein, das kann er nicht«, keuchte Ralf. »Und das braucht er auch nicht. Die Zeitsteuerung des Auslösers ist bereits in Russland eingestellt worden. Die Ladung explodiert nach Mitternacht kongolesischer Zeit, wo immer sie sich auch befindet.«
Timo holte tief Luft und versuchte, eine aufsteigende Panik zu unterdrücken. Krampfhaft hielt er die Ränder des Karrens umklammert, obwohl ein schneidender Schmerz in seinem Fingerstumpf brannte.
49
In den Räumen einer Spezialeinheit der Brüsseler Polizei in der Rue Baron Lambert schaute Léon Picard den Mann an, den er in der Rue Washington festgenommen hatte.
Der antwortete nicht auf Fragen und zeigte keinerlei Kooperationsbereitschaft. Seine Komplizen würden vermutlich nicht noch einmal versuchen, den Jungen in die Finger zu bekommen. Aaro Nortamo und das Au-pair-Mädchen standen jetzt unter dem Schutz eines TERA-Mitarbeiters. Der Junge war nicht einmal dazu gekommen, richtig Angst zu haben, denn Picard hatte umgehend versucht, den Eindringling wegzuschaffen. Aaro hatte ihm das Kennzeichen des Wohnmobils genannt, das dann ins TERA-Informationssystem eingegeben wurde.
Jetzt musste der Junge möglichst normal weitermachen. Die Wohnung wurde so unauffällig wie möglich observiert, damit das Gefühl der permanenten Bedrohung nicht übermächtig wurde. Diese Angst würde er nicht so schnell loswerden. Derzeit wurde in der Wohnung ein leichtes Alarmsystem installiert, vor allem um zu zeigen, dass etwas getan wurde. Um mit der Normalisierung des Alltags sofort anzufangen, hatte Picard Aaro und das finnische Au-pair-Mädchen sogar ins Kino gehen lassen, so wie sie es ursprünglich vorgehabt hatten. Der Mann, der für die Sicherheit der beiden abgestellt worden war, behielt sie im Auge.
Üppig bewachsene Hügel breiteten sich in der Abenddämmerung unter dem Sikorsky-Hubschrauber der US-Luftwaffe aus, der sich von Nordosten her Katanga näherte. Leroy Thompson aus Orlando, der Chef des Teams Falcon , kaute Kaugummi und wunderte sich über die Aufgabe, die ihm zugeteilt worden war. Der Kongo war ein chaotischer Hexenkessel, sein Team war dort bislang noch nicht eingesetzt worden.
Thompson wusste, dass seine Vorfahren irgendwann im 18. Jahrhundert aus Afrika gekommen waren, vermutlich aus Nigeria oder Ghana, aber auf dem Kontinent seiner Urahnen kannte er sich so gut aus wie auf dem Mars.
Thompsons Leute saßen in Kommandoausrüstung um ihn herum, neun Männer aus der operativen Anti-Terror-Einheit des Pentagons. Diese wurde in jenen Gegenden eingesetzt, in denen al-Qaida noch immer aktiv war – Thompsons Team Falcon war die zurückliegenden Monate in Nairobi stationiert gewesen.
»Sir, mit wem werden wir es zu tun haben?«, wollte einer der Männer von Thompson wissen.
»Ich habe keine Ahnung.«
Vom Rücksitz aus beobachtete Aaro besorgt Reijas Fahrstil am Steuer des Mercedes. Sie klebte in merkwürdiger Haltung am Lenkrad, als würde sie so die Straße besser sehen. Sie waren auf dem Weg zur Spätvorstellung im Toison d’Or.
Aaro hatte zunächst gezögert, hinzufahren, aber Reija hatte es gewollt, und Picard hatte versichert, es bestehe keine Gefahr mehr, da der Mann in Polizeigewahrsam sei. Mit seiner Gelassenheit hatte der Belgier Aaro beruhigen können.
»Die Nächste links«, sagte er mit dem Brüsseler Stadtplan in der Hand. Vielleicht war es doch nicht so klug gewesen, das Auto zu nehmen. Reija wirkte als Fahrerin nicht besonders routiniert.
Sie setzte den Blinker, blickte rasch hinter sich und bremste wegen der Autoschlange, die auf der
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