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Ewige Nacht

Ewige Nacht

Titel: Ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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Spur nebenan vorankroch.
    »Du fährst wie meine Mutter«, sagte Aaro nervös. »Die Spur wechselt man nicht, indem man bremst, sondern indem man Gas gibt …«
    »Danke für den Tipp, Papi.« Reija blickte kurz zur Seite, traute sich aber nicht, sich zwischen die anderen Autos zu drängen. Darum musste sie anhalten, worauf prompt hinter ihnen gehupt wurde.
    Aaro holte tief Luft. Was, wenn sie den Wagen demolierten? Er hatte noch nie Angst vor seinem Vater gehabt, obwohl der gelegentlich schon richtig wütend werden konnte. Aber wenn sie das Auto zu Schrott fahren würden, wäre eine Abreibung fällig, oder – noch schlimmer – lebenslängliches Internet-Verbot.
    Ein Autofahrer hatte Erbarmen und gab ihnen ein Zeichen mit der Lichthupe.
    »Fahr!«, sagte Aaro.
    Reija machte eine schnelle Lenkbewegung und schaffte es gerade so auf die linke Spur. Das war doch schon mal ganz gut. Sollte er Reija vielleicht zu seiner Fahrerin ausbilden? Dann könnten sie zum Beispiel in den Six-Flag-Vergnügungspark fahren, wenn seine Eltern nicht da waren. Oder warum nicht gleich ins Euro-Disney? Das Auto war groß genug, er könnte Freunde mitnehmen und vielleicht sogar ein bisschen Benzingeld kassieren.
    Eine eigene Fahrerin würde eines der schlimmsten Probleme des Lebens hier in Brüssel lösen: das Problem, sich selbstständig in der Stadt zu bewegen. In Belgien verschwanden immer wieder Kinder, und die Eltern einiger Klassenkameraden hatten den anderen Angst gemacht, man dürfe die Kinder nicht allein aus dem Haus lassen. Aaros Vater war da anderer Meinung, seiner Ansicht nach waren die meisten der Verschwundenen, die auf Plakaten gesucht wurden, Opfer von Sorgerechtsstreitigkeiten oder Kinder, die freiwillig von zu Hause abgehauen waren. Opfer von Verbrechen wurden sie den Statistiken zufolge nicht häufiger als anderswo, aber wenn der traurige Fall eintrat, erfuhr das immer eine enorme Medienpräsenz. Die viel größere Gefahr war der Verkehr – und den gab es nicht nur in Brüssel. Wenn es um Kriminalität ging, glaubte Aaro seinem Vater, denn wenn der sich damit nicht auskannte, wer dann?
    Reija beschleunigte zwischen den anderen Autos auf der kurzen Geraden der Avenue Louise.
    »Geht doch ganz gut«, ermunterte Aaro sie. Er musste sie – schon im eigenen Interesse – gut unterstützen und sollte sich Kritik an ihrer Fahrweise besser verkneifen.
    Instinktiv blickt er sich ab und zu um, aber es schien ihnen niemand zu folgen.
     
    Schweißnass, mit zitternden Beinen, näherte sich Timo der Lichtung. Gleich nach dem Höhlenausgang war er vom Karren gestiegen, nachdem das Gefühl in seine Füße zurückgekehrt war. Ralf ging vor ihm, Ilgar hinter ihm. Noora war bereits vorausmarschiert.
    »Sakombi …«, keuchte Timo. »Wer ist das?«
    »Sakombi Ladawa ist Halb-Kongolese«, sagte Ralf. »Ein uneheliches Kind. Sein Vater ist Belgier … Du hast seine Mutter kennen gelernt, sie war deine Führerin und stammt aus der Gegend hier. Sie war 16, als sie Sakombi bekam. Jetzt ist sie 74.«
    Timo wäre am liebsten stehen geblieben, um die Information zu verdauen. Das erklärte manches, was in den Gesprächen mit der Führerin zutage getreten war. »Hat Sakombi Verbindungen zu anderen extremen Organisationen?«
    »Soweit ich weiß, nur zu den üblichen Protestbewegungen. Er selbst ist Hydrologe, arbeitet in London in einer Organisation gegen die Privatisierung der Wasservorräte.«
    Timo zwang seine Beine, sich durch das Dickicht vorwärts zu bewegen. »Wem hätte er die Bombe verkaufen können?«
    »Sakombi tut nichts für Geld.«
    Gern hätte Timo weitere Fragen gestellt, Informationen gesammelt, jetzt, da die Situation auf dem Kopf stand, aber seine Kräfte reichten kaum zum Gehen.
    Hinter ihnen ragte der Mwanga auf, vor ihnen auf einer Lichtung stand ein Geländewagen. Im Laubwerk bewegte sich etwas. Noora kam ihnen mit dem Satellitentelefon in der Hand entgegengerannt, ihr rotes Gesicht glänzte vor Schweiß, aber sie wirkte entschlossen.
    Timo nahm das Telefon. Das Konzert der Vögel ringsum dröhnte unnatürlich laut in seinen Ohren. Am Telefon blinkte das rote Licht, das anzeigte, dass der Akku bald leer war. Er wählte die Notrufnummer von TERA. Ralf und Ilgar sprachen in einiger Entfernung aufgeregt miteinander. Hatten sie nun doch vor zu fliehen?
    Der Diensthabende bei TERA meldete sich.
    »Wilson«, sagte Timo. »Rot.«
    »Es hallt so. Hast du rot gesagt?«
    »Ja.«
     
    Tony Wilson saß in einer Besprechung im

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