Ewige Nacht
Der bewaffnete Mann mit der Sturmhaube kam im Scheinwerferkegel auf sie zu, dessen Licht bis zu dem kleinen Ford reichte, der in einiger Entfernung geparkt war.
Vakkuri blickte in den Rückspiegel und sah, dass sich von hinten die Lichter eines weiteren Fahrzeugs näherten. Ein Teil der Gangster war ihnen also gefolgt.
Vakkuri war sich über die Situation sofort im Klaren. Es lohnte sich nicht, ein Risiko einzugehen. So sahen es auch die Anweisungen seines Arbeitgebers bei Überfällen vor. Geld war bloß Geld.
»Russen«, flüsterte Sami heiser. »Glaub mir.«
Der Mann im Scheinwerferlicht gab mit einem Handzeichen den Befehl auszusteigen.
»Lass uns drinbleiben«, flüsterte Sami panisch. »Hier kommen die nicht mal mit dem Vorschlaghammer rein.«
»Willst du Riikka und Laura umbringen?« Vakkuris Stimme wurde heftig, während er nach dem Türöffner griff. Im Rückspiegel sah er, dass der Verfolger unmittelbar hinter ihnen stehen geblieben war. Zwischen ihre Stoßstangen passte kein Haar mehr.
Die Türen des Werttransporters gingen auf, und zwei junge, blonde Finnen kamen heraus. In dem Moment, in dem Ralf ihre Gesichter sah, wusste er, dass es keine Probleme geben würde, jedenfalls nicht mit diesen beiden.
Sakombi stieg aus dem Renault, den er dicht hinter dem Geldtransporter geparkt hatte, und rieb sich die Nase. Das war ein sicheres – und zugleich das einzige – Zeichen dafür, dass er nervös war.
»Stehen bleiben!«, sagte Ralf auf Finnisch, mit starkem Akzent, aber verständlich.
Anschließend setzte er sich mit pochendem Herzen hinter das Steuer des Geldtransporters und blickte sich in dem schwach beleuchteten Innenraum um. Er machte das Handschuhfach auf und entnahm ihm eine schwarze Plastikmappe. Sie enthielt die Fahrzeugpapiere und zwei finnische Pässe, in die Dauervisa eingeklebt waren. Am Armaturenbrett leuchtete das Display eines Navigationstelefons.
Das war der Schlüssel zum Erfolg.
Ralf stieg aus und nickte dem Fahrer zu. »Setz dich wieder ans Steuer!«
Im Laderaum des geparkten Lieferwagens wiegte Riikka Vakkuri ihr Baby im Arm. Laura war längst eingeschlafen, aber Riikka wiegte sie immer weiter.
Ihr ging der Satz dieser Frau nicht mehr aus dem Kopf: Wenn dein Mann Alarm auslöst, bringen wir dich und dein Baby um.
Jemand wollte das Auto überfallen, das Jani fuhr, so viel war klar. Sie war sicher, Jani würde vernünftig reagieren und sie und das Baby nicht in Gefahr bringen, indem er den Helden spielte. Oder könnte ihm doch irgendeine Dummheit unterlaufen?
Um Riikka herum waren Teppiche und Wolldecken aufgestapelt. Die Fenster in den Hintertüren hatten sie mit Pappe und grauem Isolierband abgeklebt. An der Decke brannte eine schwache Lampe.
In Plastiktüten neben ihr standen ein Vorrat an Babygläschen, Brottüten, Orangensaft, vakuumverpackten Käsescheiben, Keksen und eine riesige Menge Wasserflaschen. Der Menge an Essen und Wasser nach zu urteilen, wollte man sie hier offenbar länger festhalten.
Riikka spürte, wie die Angst in ihr hochstieg. In der Ecke gegenüber stand ein Eimer für die Bedürfnisse, dort lagen auch Klopapier, Windeln und schwarze Müllbeutel, von denen einer schon halb voll war und einen stechenden Geruch absonderte.
Sie hatte keine Ahnung, wohin sie gebracht worden waren. Auf jeden Fall an einen Ort, wo es weit und breit keine Menschen gab, denn die Kidnapper schienen überhaupt nicht zu befürchten, dass jemand Geräusche aus dem Innern des Wagens hörte.
Man hatte sie kühl, aber korrekt behandelt. Machten sie es mit Jani ebenso? Riikka versuchte, eine bessere Sitzposition zu finden, vorsichtig, damit sie Laura nicht weckte.
In der Välikatu in Porvoo schnappte Timo seinen Sohn und drückte ihn fest an sich. Eine einzelne Lampe erleuchtete die Bäume hinter dem Haus. Aaro kam sich gleichzeitig groß und klein vor.
»Weißt du eigentlich, wer der Sumoringer mit den meisten Siegen ist? Ishimo Kugosaki aus Tokio«, sagte er aus der Umarmung heraus. »Er hat 146-mal hintereinander gewonnen …«
»Und weißt du, wer der anstrengendste Besserwisser der Welt ist?«, entgegnete Timo und entließ den Jungen aus seinen Armen. In den Fenstern des niedrigen Holzhauses brannte Licht, und das Laub duftete herbstlich. Timo verspürte eine Riesenlust, hier zu bleiben, Urlaub zu machen, ein paar Wochen lang nicht zu arbeiten und nichts zu denken, nur mit Aaro zu angeln und Fußball zu spielen. Auch Soile war für einige Tage beruflich in
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