Ewige Nacht
initiiert wurde. Es ging darum, den Charakter der Materie zu erforschen sowie den Urknall, und damit die Entstehung des Universums auf neue Weise zu verstehen. Dafür wurde das gigantische Grid-Computernetz aufgebaut, das die an verschiedenen Orten vorhandenen Anlagen und Informationen zu einem Gesamtkomplex zusammenfügte. Die riesige Informationsflut, die mit Hilfe von Grid erzeugt wurde, wollten sie mit dem Storage Tank-Dateisystem von IBM in den Griff bekommen.
»Und wie ist Genf als Stadt?«
»Steif. Aber ich fühle mich wohl. Die französische Seite ist lockerer. Und Lausanne ist spitze.«
»Ich habe immer davon geträumt, mit dem Rad durch die Alpen zu fahren.«
»Zwei Kollegen von mir sind im Sommer um den Genfer See geradelt. Aber für einen Halbprofi wie dich ist das natürlich gar nichts.«
Patrick sah Soile mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck in die Augen. »Weißt du, warum ich mit dir über das CERN reden möchte?«
Soile zuckte mit den Schultern, obwohl sie es allmählich ahnte. »Du hast doch nicht vor …«
Patrick lächelte und nickte. »Ab Anfang November. Auf ein Jahr befristet, kann aber verlängert werden.«
Auf Soiles Gesicht machte sich ein Grinsen breit. »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«
»Ich wollte sehen, ob du auch ohne besonderen Grund mit mir ausgehst.«
Soils wurde ernst. Sie spürte, wie wohl sie sich in Patricks Gesellschaft fühlte. Vielleicht sogar zu wohl.
16
In gleichmäßigem Tempo, ohne die Geschwindigkeitsbeschränkung zu überschreiten, fuhr Heidi Klötz in ihrem CKlasse-Mercedes östlich von Brüssel auf die deutsche Grenze zu. Es war dunkel, und es nieselte.
Beim Fahren wählte sie Timo Nortamos Handynummer, aber es meldete sich noch immer niemand. Müsste das Schiff nicht längst im Empfangsbereich sein? Und müsste nicht eine Mitteilung erscheinen, wenn keine Verbindung zustande kam?
Heidi blickte auf die Uhr am Armaturenbrett. 6.30 Uhr. In einer halben Stunde sollte das Schiff im Hafen sein. Vielleicht funktionierte das Telefon tatsächlich erst dann. Heidi Klötz vertraute Nortamo. Das würde sie nie laut sagen, auch nicht anderen gegenüber. Der Finne gehörte zu den TERA-Mitarbeitern, von denen sie wusste, dass sie im Ernstfall taten, was notwendig war. Sie ertappte sich dabei, wie sie sich vorstellte, was Nortamos Frau für ein Mensch sein mochte. Er selbst ließ über sein Privatleben nichts heraus, aber Heidi hatte in den Unterlagen gelesen, dass Soile Nortamo beim CERN arbeitete. Das steigerte Heidis Interesse für Timo, denn eine Frau mit dem Intellekt einer Teilchenphysikerin würde wohl kaum einen dummen Mann ertragen.
Sie rief die Leute vom BKA an, die im Hafen von Travemünde warteten. »Nortamo meldet sich immer noch nicht. Müsste das Telefon nicht funktionieren, auch wenn das Schiff noch nicht angelegt hat?«
»Doch. Aber egal ob es funktioniert oder nicht, wir sind bereit.«
»Gut. Hoffen wir, dass auf dem Schiff alles in Ordnung ist.«
Heidi legte auf. Bei den Fahrzeugen, die vom Schiff kamen, würden mehr Stichproben-Kontrollen als üblich vorgenommen werden, auch bei dem Wagen von Noora Uusitalo und Ralf Denk. Bei der Gelegenheit würde ein Sender installiert werden, für den Fall, dass die BKA-Gruppe den Kontakt verlieren würde. Der Telefonanschluss von Noora Uusitalo wurde bereits abgehört, und bei Ralf Denk würde die gleiche Maßnahme greifen, sobald man die Nummer herausgefunden hätte, die der Mann zurzeit benutzte. Wahrscheinlich würde er aber eine Prepaid-Karte kaufen.
Heidi war auf dem Weg nach Köln zum BfV, zur Lagebesprechung. Bei der Gelegenheit wollte sie Ralf Denks Bruder Theo im Pflegeheim bei Wetzlar besuchen.
Mit zufriedener Miene ließ Ralf auf dem Autodeck der Finnhansa den Renault an. Noora saß neben ihm und band sich die Haare mit einem Gummiband zum Pferdeschwanz zusammen.
»Weiß Theo, dass wir kommen?«
»Natürlich nicht. Die Polizei wird ihn aber bald ausfindig machen. Falls sie es noch nicht getan hat.«
»Ist es nicht zu riskant, zu ihm zu fahren?«
»Doch. Aber Theo kommt mit uns, egal wie hoch das Risiko ist.«
Noora warf einen Blick auf Ralf, stellte aber keine weiteren Fragen. Der bedauernswerte kleine Bruder mit dem tragischen Schicksal war für Ralf der wichtigste Mensch auf der Welt.
Die Autokolonne, die vor ihnen aus dem Schiff kroch, machte einen Bogen um einen schmutzigen, in Belgien zugelassenen Mercedes. Der Wagen stand ohne Fahrer da, der Innenraum war voller
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