Ewige Nacht
losschossen.
Eine hartnäckige Befürchtung machte ihm zu schaffen. Wenn sie wollte und es aus irgendeinem Grund für nützlich erachtete, würde die G1 seine Adresse herausfinden. Dadurch hatte seine berufliche Aufgabe eine persönliche Note bekommen, die ihm überhaupt nicht gefiel. Er suchte nicht nur nach einem Paar, das an einem Raubmord beteiligt war, sondern nach Leuten, die nicht davor zurückschreckten, seinen Sohn umzubringen.
23
Der Abend war warm in der Via Gollia in Rom, wo die Lichter des Hotel Albion leuchteten. An der Tür von Zimmer 421 hing das rote Schild mit der Aufschrift B ITTE NICHT STÖREN.
Im Zimmer roch es nach Urin, denn der Bewacher hatte Sebastian Kline und Mia Fuchs nicht erlaubt, das WC zu benutzen. Für die beiden war aus dem Besuch beim Papst ein demütigender und beängstigender Alptraum geworden.
Das Telefon des Bewachers klingelte. Vor ihm auf dem Tisch standen leere Getränkedosen und Essensreste.
»Hallo …«
Der Mann hörte eine Weile zu, steckte das Telefon in die Tasche und ging zur Tür. Im Vatikan war alles klar. Er verließ das Zimmer ohne ein Wort.
Das Taxi fuhr davon, und Stille legte sich auf die schwach beleuchtete Straße. Dünner Nebel hing in der Rue Washington im Brüsseler Stadtteil Ixelle und brachte die Straßenlampen zum Leuchten wie in einem alten Schwarzweißfilm.
»Irre Häuser«, sagte Reija.
Aaro sah die vertrauten Fassaden, die ihm allerdings in den zwei Monaten Sommerferien ein wenig fremd geworden waren. In den Fenstern der schönen dreistöckigen Jahrhundertwende-Häuser brannte kaum ein Licht. Die Häuserreihe stand ein wenig zurückversetzt, und zu jeder Haustür führte der Weg durch einen kleinen Vorgarten. Aaro nahm die wenigen Stufen zur Tür, schloss auf und entriegelte auch das Sicherheitsschloss, das diesmal auf Anhieb nachgab. Dann öffnete er die Tür.
»Wieso geht die denn nach innen auf?«, flüsterte Reija.
»Damit die Kripo sie leichter eintreten und die Leute in einer nebligen Nacht wie dieser herausholen kann«, flüsterte Aaro zurück.
»Mach mir bloß keine Angst.«
In der breiten, schweren Tür waren drei Briefschlitze mit hölzernen Kästen dahinter eingelassen.
»Wohnen hier drei Familien?«, fragte Reija.
»Zwei. Der oberste Stock steht leer. Zum Glück«, sagte Aaro und nahm einen dicken Stoß Reklamesendungen und Briefe aus dem Kasten.
»Wieso zum Glück?«
»Miese Schallisolierung. Die Häuser sind nicht für mehrere Familien gebaut worden.«
Aaro schloss die Haustür und verriegelte sorgfältig das Sicherheitsschloss. Er hatte am Verhalten seines Vaters gemerkt, dass es gute Gründe gab, dessen Anweisungen zu befolgen.
Sie gingen am Fahrrad des Nachbarn im Hausgang vorbei und stiegen die Treppe zum Zwischengeschoss hinauf. Aaro öffnete die gleiche Schlösserfolge wie unten.
»Gibt es hier so viele Einbrecher?«, wollte Reija wissen.
»Die gibt’s überall.«
Aaro schaltete das Licht an, bevor er in den Flur trat. Dann sperrte er die Wohnungstür ebenso sorgfältig ab wie die Haustür. »Denk dran: nicht aufmachen, wenn jemand klopft!«
»Huh, du schaffst es wirklich noch, mir Angst einzujagen«, sagte Reija.
»Hier braucht man keine Angst zu haben. Außer dass Homejacking ziemlich verbreitet ist.«
»Was?«
»Der Einbrecher kommt, obwohl jemand in der Wohnung ist. Droht mit der Knarre und nimmt mit, was er will. Am liebsten die Autoschlüssel. Heutzutage sind die Wegfahrsperren so effektiv, dass man ein Auto am besten mit dem Schlüssel knackt. Oder man zwingt den Fahrer an einer Ampel auszusteigen und springt selbst hinters Steuer. Das nennt man dann Carjacking. Dicke Mercedes sind am meisten gefragt.«
»Was fahrt ihr?«
»Einen dicken Mercedes.« Aaro grinste. »Aber mit alter Karosserie. So einen will keiner mehr, außer meinem Vater.«
Er machte Licht in den Zimmern und schaltete den gasbetriebenen Warmwasserboiler ein, der in einem Schrank neben dem Bad untergebracht war. Reija schaute sich die alten Möbel und Gegenstände an, die in der ganzen Wohnung verteilt waren.
»Können wir uns das Telefon noch mal ansehen?«, fragte Aaro. »Ich hab mich erkundigt. Das GPRS von Sonera müsste hier im Mobistar-Netz funktionieren.«
Reija ließ sich im Wohnzimmer auf die Couch fallen, die mit einem altmodischen braunen Stoff bezogen war. »Ist das hier ein Heimatmuseum, oder was?«, sagte sie und kramte in ihrer Tasche.
Aaro hatte keine Lust zu antworten. Er schämte sich für die komische
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