Ewige Nacht
hatte er eine Sternenkarte befestigt, dazu ein Harry-Potter-Poster, eine auf dem Flohmarkt erstandene Europakarte aus dem Jahr 1942 sowie ein Poster von Jan van Eycks ›Arnolfini-Hochzeit‹ – nicht um seinem Vater zu gefallen, sondern wegen des kleinen Clous auf dem Bild, den er gern anderen zeigte: Hinter dem dargestellten Paar hing ein gewölbter Spiegel an der Wand, in dem man bei genauem Hinsehen vieles erkennen konnte, was auf dem Bild sonst nicht zu erkennen war. Sogar den Künstler selbst.
Aaro ging ins Internet und klickte sich durch die finnischen Nachrichtenseiten. Über den Überfall auf das Geldauto wurde viel berichtet. Als Nächstes schrieb er bei Google den Namen der Person ins Suchfeld, deren Namen er per SMS von der Zulassungsstelle bekommen hatte. Er hatte noch immer nicht die blasseste Ahnung, warum er die Information angefordert haben sollte. JCG 897, Eigentümer Markku Soljander.
Auf dem Bildschirm erschienen reihenweise Suchergebnisse, und Aaro fing an, sie durchzugehen. Es schien zwei Markku Soljander zu geben – einer von ihnen war offensichtlich ein begeisterter Orientierungsläufer. Der andere tauchte als Verfasser megalangweilig klingender Artikel auf: ›Der Einfluss der Freihandelsverträge auf die Situation bedrohter Tierarten‹, ›Biodiversität und Globalisierung‹, ›Der Bau von Vogelbeobachtungstürmen als Teil des regionalen Entwicklungsprogramms der EU‹.
Aaro gähnte und sah auf die Uhr. Er hätte gern Niko angerufen und mit ihm die Lage besprochen, begnügte sich aber mit einer kurzen E-Mail.
Er stand vom Tisch auf und ging ans Fenster. Unten auf der Straße war im Nebel eine männliche Gestalt zu erkennen. Sie schien direkt zu ihm heraufzuschauen.
26
In den frühen Morgenstunden hatte sich der Verkehr südlich von Rom beruhigt. Von oben betrachtet sah das Fahrzeug auf der Autobahn wegen seiner Größe aus wie ein Bus. Von der Straße aus offenbarte es sich als eines von den Motorhomes, wie man sie vom Boxenbereich der Formel-1-Ställe, von Drehorten von Filmen und vom Backstage-Bereich der Rock-Arenen kannte: senkrechte Front, riesige, getönte Windschutzscheibe, moderne kleine Xenon-Lampen auf Höhe der Stoßstange, mattierte Aluminiumflächen, Doppelachse hinten, auf dem Dach eine elektrisch einklappbare Satellitenschüssel.
Das größte Modell der US-amerikanischen Monaco Coach Corporation fuhr gerade an einer Agip-Tankstelle vorbei. Vor ihm fuhren ein Range Rover und ein Lancia-Van, hinter ihm zwei Fiat-Lieferwagen.
Im Innern des Luxusliners herrschte alles andere als Luxus, denn das Fahrzeug war als mobile Klinik ausgestattet, als Intensivstation mit allen Instrumenten, die zur Aufrechterhaltung der Körperfunktionen nötig waren. Im Moment wurden sie allerdings nicht gebraucht – noch nicht.
Das Nummernschild des Wagens hätte GOD-1 lauten können, aber es hatte nicht einmal die Kennzeichen des Vatikans, sondern war, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, in Rom zugelassen. Im Innern lag Papst Clemens XV. festgeschnallt auf dem Bett. Der untere Teil seines Gesichts war von einem weißen Atemschutz verdeckt, und das goldene Kruzifix, das er normalerweise um den Hals trug, hatte man neben ihm auf das Kissen gelegt.
Er war nicht, wie es üblich gewesen wäre, ins Policlinico Agostino Gemelli gebracht worden, denn es handelte sich hier nicht um eine normale Erkrankung.
Das Bett schaukelte leicht. Trotz der Luftdruckfederung übertrugen sich die Bewegungen des Fahrzeugs. Neben dem Patienten saß der Arzt Gianluca Montanello, der nachdenklich vor sich hinblickte. Auch er trug einen Mundschutz, sicherheitshalber. Der Zustand des Papstes verschlechterte sich rasant.
Man konnte aus dem Innern des Fahrzeugs nicht nach draußen sehen, denn anstelle der Fenster waren Attrappen aus dunklem Plexiglas eingebaut worden. Ein Jahr zuvor war der Wagen speziell isoliert und mit einer Luftreinigungsanlage ausgerüstet worden, die vor den Folgen chemischer und biologischer Waffen schützte.
Plötzlich blieb Montanellos Blick an dem Mundschutz des Patienten haften.
Ein winziger roter Fleck hatte sich auf dem Weiß gebildet.
Als ahnte er die Aufmerksamkeit des Arztes, fuhr der Patient zusammen und betastete seine Nase. Seine Fingerspitze war rot.
Montanello erschrak, verbarg aber seine Erregung. »Wartet, ich gebe Euch Papier«, sagte er mit betont ruhiger Stimme.
Dennoch schien der Patient zu ahnen, dass der Arzt beunruhigt war, denn er schloss die Augen und faltete die
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