Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ewige Schreie

Ewige Schreie

Titel: Ewige Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Wochenendhäuschen für streßgeplagte Großstädter.
    »Wie muß ich jetzt fahren?«
    »Biegen Sie mal in die nächste links.«
    Das tat ich auch. Die Straße war schmal. Sie besaß weder Pflaster noch Asphalt. Der begann erst fünfzig Yards später, war aber aufgerissen und zeigte Schlaglöcher.
    Die Dämmerung kam. Ich hatte das Gefühl, als würde die Sonne von ihr immer weiter nach vorn und auch tiefer geschoben. Helen Cloud wohnte im letzten Haus an der Straße. Dahinter begannen Gärten und Wiesen, auf denen ich friedlich weidende Schafe sah.
    »Ist es hier immer so still?« fragte ich, als ich den Wagen vor dem Haus mit den hell gestrichenen Fensterrahmen stoppte und die Tür öffnete.
    »Klar, hier liegt der Hund begraben.«
    Das schien mir auch so.
    Auf dem schmalen Gehsteig blieb ich stehen. Eine wirklich seltsame Stille lag über dem Dorf, und ich atmete direkt auf, als ich in der Ferne das Kläffen eines Hundes hörte.
    Ich sah Helen neben mir. Unsere Körper berührten sich. Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. »Was gibt es?«
    Sie hob die Schultern. »Das ist seltsam. Meine Mutter wäre längst an die Tür gekommen und hätte uns begrüßt.«
    »Vielleicht ist sie weggegangen.«
    »Wohin denn?« Helens Stimme klang erstaunt.
    »Zum Grab Ihres Vaters.«
    »Nein, dahin geht man nicht.«
    »Sie meinen den Friedhof?«
    »Genau.«
    Bevor Helen noch etwas sagen konnte, hatte ich die Initiative ergriffen und durchquerte den schmalen Vorgarten, in dem kleine Rhododendronbäume dicke, violette Blüten zeigten.
    »Warten Sie, ich habe einen Schlüssel.« Helen kam mir nach und schloß die Haustür auf.
    Warme Luft schlug uns entgegen. Im Haus rührte sich nichts. Es war still. Mrs. Cloud schien wirklich nicht da zu sein.
    »Mutter?« Helens Stimme hallte durch das Haus. Sie mußte auch in der ersten Etage zu hören sein, aber dort rührte sich ebenso wenig etwas wie im Erdgeschoß.
    Das war seltsam. Ich schritt langsam durch die Diele. Helen öffnete alle Türen unten und schaute in die Zimmer hinein. Ihr Gesicht wurde dabei zusehends ratloser, ein Zeichen, daß sie ihre Mutter nicht gefunden hatte.
    »Wo kann sie nur sein?« fragte sie mich.
    Eine konkrete Antwort wußte ich auch nicht, deutete die schmale Treppe hoch und erwiderte: »Möglicherweise hat sie sich hingelegt. Wir sollten nach oben gehen.«
    Das taten wir auch. Die Treppe war mit einem grünen Läufer belegt. Die Stufen darunter bestanden aus Holz, so daß unsere Schritte dumpf klangen, als wir nach oben schritten. Wir erreichten einen schmalen Flur, von dem drei Türen abzweigten. »Wo schläft Ihre Mutter?« wollte ich wissen.
    Helen deutete nach links. Bevor sie die Zeichensprache in die Tat umsetzen konnte, hatte ich die Tür schon geöffnet. Der Raum dahinter lag im Halbdunkel, da die Rollos heruntergelassen worden waren.
    Rechts befand sich das Doppelbett.
    Auf der linken Hälfte lag eine Gestalt. Sie schlief nicht. Letztes Tageslicht fiel durch die nicht ganz dichten Läden und malte blasse Streifen auf den Körper, der seltsam grotesk wirkte in seiner verkrampften Lage. Das hatte seinen Grund.
    Mrs. Cloud hielt mit den Fingern der rechten Hand den Griff eines Messers umklammert, dessen Spitze in ihrer Kehle steckte…
    ***
    Es war ein Schock!
    Irgendwie hatte ich damit gerechnet, daß wir Mrs. Cloud nicht lebend vorfinden würden, nach allem, was mir Helen berichtet hatte, aber daß es auf diese Weise geschah, machte mich fertig.
    Ich stöhnte auf und drehte mit hastig um, denn ich dachte an Helen, der dieser Anblick sicherlich einen noch schwereren Schock versetzen würde.
    Gleich würde sie durchdrehen.
    Dann schrie sie. Markerschütternd, gellend. Und sie legte all ihre Panik und das Entsetzen in diesen Schrei. Es schüttelte sie regelrecht durch. Sie schlug mit den Händen, und ich sorgte dafür, daß sie nicht mehr auf der Türschwelle stehenblieb, sondern drängte sie in die Diele zurück, denn dieser Anblick sollte ihr zukünftig erspart bleiben. Ich stand vor ihr und überragte sie um fast eine Kopfeslänge. Sie hatte den Kopf zurückgelegt, starrte mich an, doch ich war sicher, daß sie mich gar nicht wahrnahm.
    Ihr Blick glitt ins Leere.
    Sekundenlang zitterte ihr Schrei durch das Haus, bis sie sich nach vorn warf und damit auch gegen mich. Wie eine Ertrinkende klammerte sie sich an mir fest, barg ihren Kopf an meiner Schulter und ich ließ sie. Sie mußte sich jetzt einfach abreagieren. Ihr Schreien verstummte bald, es mündete

Weitere Kostenlose Bücher