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Ewige Schreie

Ewige Schreie

Titel: Ewige Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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begraben, glaube ich.«
    »Wieso glauben Sie das?«
    »Weil ich nie Beerdigungen erlebt habe, deshalb. Sie müssen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zum Friedhof geschafft worden sein. Und das ist schlimm.«
    Jetzt war mein Mißtrauen geweckt. »Ist das nicht normal bei euch in Walham?«
    »Nein, so klein der Ort auch ist, aber er hat zwei Friedhöfe. Einen normalen und einen«, jetzt senkte sie ihre Stimme, »und einen verfluchten.«
    Wenn etwas nicht lief, dann richtig. Nicht nur die Lenkung spielte verrückt, alles deutete auch darauf hin, daß ich einen neuen Fall am Hals hatte.
    Einen verfluchten Friedhof!
    »Jetzt sind Sie sprachlos, wie?«
    »Für einen Moment sicherlich.«
    Helen reckte sich und drückte die Zigarette im Ascher aus. Mit fünf Fingern fuhr sie durch ihr Haar, und dann lächelte sie hintergründig. »Es ist schon gut, daß Sie mich nach Walham bringen.«
    »Dann haben Sie extra darauf hingearbeitet?« folgerte ich.
    »Ja, so kann man es nennen.«
    »Und Sie wollen also, daß ich mir den Friedhof einmal ansehe.«
    »Genau, John, darum wollte ich Sie bitten. Man nennt ihn den Selbstmörder-Friedhof.«
    »Erzählen Sie mir davon.« Dieses Mädchen hatte es tatsächlich geschafft, meine Neugierde zu wecken. London lag plötzlich weit vor mir. Wenn es in diesem Ort und auf dem Friedhof tatsächlich nicht mit rechten Dingen zuging, dann war das ein Fall für mich.
    »Genaues weiß ich auch nicht, aber man spricht davon, daß der Geist eines ehemaligen Gehängten dort herumspukt. Vor über 200 Jahren hat man auf dem Friedhof und in der Nähe der alten Kirche Verbrecher aufgeknüpft. Während einer Nacht ist der Küster dann ermordet worden. Der Gehängte hing nicht mehr in der Schlinge, und als die Menschen aus der Kirche kamen, fanden sie die Leiche des Küsters. So ist es gelaufen, John.«
    »Mehr wissen Sie nicht?«
    »Nein, eigentlich nicht. Das andere müssen Sie sich schon von den alteingesessenen Bewohnern erzählen lassen. Der Friedhof wird auf jeden Fall gemieden, und das sicherlich aus guten Gründen, wie Sie sich denken können.«
    Ja, das konnte ich. »Sind Sie sich denn völlig sicher, daß der Selbstmord Ihres Vaters mit diesem Friedhof in Verbindung steht?«
    »Fast hundertprozentig. Sonst hätte ich Ihnen nicht davon berichtet. Ich will, daß Sie sich des Falls annehmen.«
    »Und Ihre Mutter?«
    »Sie war natürlich schockiert. Sie hat auch geweint. Allerdings kam sie mir ein wenig fatalistisch vor. Als wollte sie sagen: Da kann man sowieso nichts machen. Schicksal und so.«
    »Dann rechnete sie damit?«
    »Unter Umständen ja.«
    Was mir Helen erzählte, war wirklich interessant, und ich hatte mich längst entschlossen, nicht nur den kleinen Umweg zu machen, sondern mich in Walham mal näher umzuschauen. Andere hätten gelacht, ich dachte anders über solche Erzählungen, denn die Erfahrung hatte mich gelehrt, daß oftmals Dinge in Bewegung gerieten, die normalerweise gar nicht passieren durften und mit dem menschlichen Verstand sich nicht vereinbaren ließen.
    Wir fuhren durch eine typische südschottische Landschaft. Sie war lieblich zu nennen, nicht so rauh, wild und zerklüftet wie im windgeschüttelten Norden. Sanfte Hügel, mal eine Bergspitze dahinter, herrliche Weiden, hin und wieder lagen wie hingeworfen Häuser zwischen den Hügeln, oder es glänzte matt und silbrig die Oberfläche eines Sees.
    Da ich oft nach rechts und links schaute, fragte Helen Cloud mich:
    »Gefällt es Ihnen hier?«
    »Natürlich. Ich mag Schottland. Zwar bin ich in London geboren und aufgewachsen, aber meine Familie stammt aus dieser Gegend. Irgendwie fühle ich das. Es gibt unsichtbare Fesseln zwischen dem Land und mir. Die Landschaft gefällt mir einfach.«
    »Da haben wir etwas gemeinsam.«
    »Und nach dem Studium, was haben Sie da vor?« wollte ich wissen.
    »Keine Ahnung. Auf jeden Fall möchte ich nicht nach London, sondern in Schottland bleiben. Mir geht es ebenso wie Ihnen.« Sie räkelte sich, bog den Rücken durch und schaute nach vorn. »Da, John, sehen Sie doch.«
    »Wo?«
    Helen deutete nach links. Ich mußte ihre Beobachtungsgabe bewundern. Erst jetzt sah ich die Qualmwolken, die sich düster und träge durch die Luft wälzten und dabei lautlos über die Wipfel einiger Bäume glitten.
    »Da brennt es.«
    »Das ist aber noch nicht Walham«, sagte sie schnell. Nein, es war nicht Walham. Wir konnten es besser erkennen, als wir in die nächste Kurve einbogen. Der Polizeiwagen stand quer auf

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