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Ewige Schreie

Ewige Schreie

Titel: Ewige Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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der Straße und markierte die Absperrung. Sein Warnlicht drehte sich auf dem Dach, uns blieb nichts anderes übrig, als hinter der Schlange der wartenden Fahrzeuge stehenzubleiben.
    Die meisten Fahrer waren ausgestiegen. Auch mich hielt es nicht mehr im Bentley. An der Reihe der wartenden Wagen ging ich entlang und hörte die anderen Fahrer miteinander reden. Ich vernahm Worte wie Unfall, Explosion und Brand. Ein Polizist wollte mich mit barschen Worten zurückscheuchen.
    Ich zeigte ihm meinen Ausweis so, daß die anderen ihn nicht sehen konnten. Der Mann wurde sofort freundlicher. »Was ist denn passiert?«
    Er deutete zurück in die Qualmwolke. »Ein Tankwagen, Sir. Der Fahrer des Wagens war übermüdet. Da ist es passiert. Voll in den Graben und gegen mehrere Bäume. Die ganze Chose brennt.«
    »Und wann sind die Löscharbeiten ungefähr beendet?«
    Er hob die Schultern. »Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Die Sache kann Stunden dauern.«
    Stunden! Auch das noch. An diesem Tage blieb mir nichts erspart. Da schien sich alles gegen mich verschworen zu haben. Es sollte mir wohl nicht vergönnt sein, London rechtzeitig zu erreichen. Ich bedankte mich bei dem Polizisten und ging wieder zurück. Helen wartete neben dem Bentley. Hinter uns hatte ein VW-Bus angehalten. Eine Familie mit Campingausrüstung hockte darin. Der Fahrer schimpfte, die Kinder schrien, und die Mutter saß totenblaß auf dem Beifahrersitz.
    »Was ist denn genau passiert?« fragte Helen. Ich erklärte es ihr. Ihre Augen wurden groß. Dann schüttelte sie den Kopf und holte tief Luft.
    »Muß das denn sein, zum Henker?«
    »Das nennt man Schicksal. Andere Frage. Wenn wir jetzt zurückfahren, können wir da vielleicht was abkürzen oder einen anderen Weg nach Walham nehmen?«
    Helen Cloud schaute sich um. Wir befanden uns innerhalb eines Hochtals mit sanften Hängen und einer Mischwaldformation. Das Asphaltband der Straße durchschnitt dieses Tal wie eine graue Schlange. Die einzige Schlange, so weit mein Blick reichte. Es gab keine weiteren Straßen, die abzweigten.
    Das sah trübe aus.
    Helen untermauerte meine Ansicht. »Zurückfahren hat keinen Sinn. Wir müssen schon auf dieser Straße bleiben. Es sei denn, wir fahren quer durch das Gelände, aber ein Umweg kostet uns nicht nur Stunden, sondern auch Sprit.«
    Da hatte sie recht. Hier standen wir zwar auch Stunden, konnten aber Benzin sparen.
    »Also bleiben wie hier«, entschied ich. Die Wagentüren ließen wir offen, so daß Durchzug entstand, und ich fragte Helen über den Ort Walham aus.
    So erfuhr ich, daß die Selbstmorde alle mit dem alten Friedhof zusammenhingen. Den Grund konnte mir Helen auch nicht sagen.
    »Haben Sie nie danach gefragt?« wollte ich wissen.
    »Nein. Das heißt ja, ich habe es nur hinterher aufgegeben, weil ich keine anständige Antwort bekam.«
    »Wieso?«
    »Die Leute trauten sich nicht, darüber zu reden. Wenn Sie mehr wissen wollen, müssen Sie meine Mutter fragen, John.«
    »Vielleicht antwortet sie mir auch nicht.«
    »Das ist möglich.«
    »Wie es aussieht, muß ich in Walham übernachten. Gibt es dort ein Gasthaus oder ein Hotel?«
    »Ja, aber sie können auch bei uns schlafen. Das Haus ist groß genug. Wo ich mein Zimmer habe, gibt es auch noch ein zweites.« Sie lächelte, und in ihren dunklen Augen stand ein seltsamer Glanz, den ich bei Frauen schon des öfteren gesehen hatte.
    Ich überspielte alles mit einem Lachen. »Erst schaue ich mir mal den Friedhof an. Vielleicht komme ich dann gar nicht mehr zum Schlafen.«
    An Helens Gesicht konnte ich ablesen, welche Gedanken sie beschäftigten. Sie ließ sie aber unausgesprochen. Fast zwei Stunden wurden wir aufgehalten. Als ein Räumfahrzeug den umgekippten Transporter endlich von der Straße holte, da neigte sich die Sonne bereits im Westen dem Horizont zu und wurde zu einem roten, glühenden Ball.
    Nur allmählich setzte sich die Autoschlange in Bewegung, und endlich konnten auch wir fahren.
    Die Familie hinter uns - sie kam aus Germany - hatte sich die gesamte Zeit über gestritten. Erst als es weiterging, hörten Vater, Mutter und Kinder auf.
    Mit denen wollte ich auch keinen Urlaub machen.
    Nach einigen Schwierigkeiten erreichten wir den kleinen Ort Walham, auf den ich inzwischen mehr als gespannt war.
    Typisch schottisch. Die meisten Häuser bestanden aus grauen Steinen, so wie man sie hier in der Gegend abbaute. Ich sah allerdings auch ein paar Holzhäuser, die nach Schema F errichtet waren.

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