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Ewige Schreie

Ewige Schreie

Titel: Ewige Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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in einem trockenen Schluchzen und Weinen. Meine Hände lagen auf Helens Rücken. Er zuckte, wenn sie wieder von einer Schluchzwoge übermannt wurde, und wir blieben in der stickigen Diele stehen wie zwei Statuen.
    Dabei überschlugen sich in meinem Kopf die Gedanken. Helen hatte mir von dem Selbstmord ihres Vaters erzählt. Jetzt war auch ihre Mutter gestorben. Ebenfalls durch einen Selbstmord?
    Eigentlich ja, denn alles deutete darauf hin. Trotzdem war ich mißtrauisch. Da kam der Polizeibeamte wieder in mir durch. Ich glaubte es erst hundertprozentig, wenn ich es von den Spezialisten bestätigt bekam.
    Andererseits dachte ich an den Friedhof der Selbstmörder. Nicht umsonst wurde er so genannt. Und dieser Friedhof schien ein schreckliches Geheimnis zu bergen, das Menschen dazu trieb, sich selbst umzubringen.
    In diesem Augenblick schwor ich mir, das Rätsel zu lösen. Koste es, was es wolle.
    Helen schluchzte noch immer. Sie schüttelte dabei den Kopf, aber das Weinen war schon leiser geworden. Ein Zeichen, daß sie den ersten Schock überwunden hatte.
    Ich drückte sie von mir und senkte den Blick. Dabei schaute ich in ein verquollenes Gesicht. Ein paarmal zog sie die Nase hoch.
    »Geht es Ihnen jetzt etwas besser?« erkundigte ich mich besorgt. Sie nickte.
    »Kommen Sie, wir gehen nach unten.«
    Helen schüttelte den Kopf und zog die Nase hoch. Ich gab ihr ein Taschentuch, etwas anderes konnte ich im Augenblick nicht für sie tun. Sie schneuzte ihre Nase und fragte mit erstickt klingender Stimme:
    »Warum hat sie das getan?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Erst… erst Vater, jetzt sie. Das begreife ich nicht. Da muß es doch etwas geben…«
    »Bestimmt gibt es das.«
    »Der Friedhof. Dieser verdammte Friedhof, das ist es«, sagte sie mit kaum verständlicher Stimme. »Ich weiß das, ich habe es immer gewußt, es ist so schlimm.«
    »Ich werde mir den Friedhof einmal ansehen«, sagte ich und gab meiner Stimme einen festen Klang.
    »Sie müssen mich mitnehmen.«
    »Nein, Helen, das ist zu gefährlich. Bleiben Sie hier. Es ist besser für Sie.«
    »Ich kann nicht in dem Haus bleiben…«
    »Das brauchen Sie auch nicht. Sie können im Wagen sitzenbleiben. Einverstanden?«
    »Ja… ja…«
    »Dann wollen wir jetzt gehen.« Ich legte meine Hand auf ihre Schulter und drückte sie herum in Richtung Treppe. Im gleichen Augenblick hörten wir unten, wie die Tür aufschlug.
    Sofort blieb ich stehen und drückte Helen hinter mich. Jemand war gekommen.
    Wer?
    Stimmen klangen unten auf. Sie hörten sich dumpf an. Das waren mindestens zwei Männer, die das Haus betreten hatten. Eine zweite Tür schlug, dann sagte jemand: »Sie muß oben liegen. Wir holen sie ab.«
    »Ja, ja, das Grab ist fertig.« Es folgte ein hohles Kichern, das auch Helen gehört hatte, denn eine Gänsehaut rann über ihren Rücken, und sie preßte sich fest an mich.
    Ich war noch einen Schritt vorgegangen, konnte neben dem Handlauf in die Tiefe schauen, und sah jetzt auch die Personen, die das Haus betreten hatten.
    Es waren nicht zwei, sondern drei. Und einen Herzschlag später erklangen ihre dumpfen Schritte auf der Treppe…
    ***
    Sie sangen den Begrüßungschor für die Tote!
    Die beiden Gesichter auf den Grabsteinen waren zu schrecklichen Fratzen geworden. Sie hatten die Mäuler weit aufgerissen, so daß McMullogh hineinschauen konnte in zwei Schlünde, die wie gefährliche Tunnels wirkten und bis in die Tiefe des Grabes zu reichen schienen. Noch nie im Leben hatte er diese Schreie gehört. Die Toten schrien, sie riefen die Lebenden, sie mahnten sie, und die Schreie endeten in einem Heulen, das schaurig über den unheimlichen Friedhof rieselte. McMullogh schüttelte den Kopf. Sein Gesicht verzerrte sich ebenfalls, er hob die Arme und preßte beide Handballen gegen seine Ohren. Er wollte die Schreie nicht hören, doch so hart konnte er nicht zudrücken, die Rufe der Toten erreichten ihn weiterhin, nur klangen sie gedämpft. McMullogh wankte zurück. Wie hypnotisiert wurde sein Blick von den beiden Grabsteinen angesaugt. Er sah genau, daß sich die Gesichter bewegten, allerdings langsam, so als hätte man den schrecklichen Fratzen Gummimasken aufgesetzt und unsichtbare Hände würden immer daran ziehen. Es war grauenhaft.
    Der bedauernswerte Mann erlebte eine Hölle und einen Horror wie nie zuvor in seinem Leben.
    Er dachte nicht mehr an seine tote Frau, sondern wankte zurück, allerdings nicht auf das Friedhofstor zu, sondern in die entgegengesetzte

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