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Ewige Schreie

Ewige Schreie

Titel: Ewige Schreie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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in dieser Extremsituation denken konnte. Er hatte sich mit dem Schrecklichen abgefunden, und er wollte alles so schnell wie möglich hinter sich bringen. Gladys schrie auch weiterhin. Der Mund schien sich überhaupt nicht mehr schließen zu wollen, sie hatte ihn aufgerissen, und James konnte in ihren Rachen schauen wie in einen Schlund.
    An einem Grab, wo er auf der Platte ein verzerrtes Gesicht sehen konnte, schritt er vorbei. Sein Ziel war ein Laubbaum, dessen Äste ihm kräftig genug aussahen. Einer davon hing über ihm, und er brauchte nur seine Arme auszustrecken, um den Ast mit den Händen zu fassen. Kräftig zog er daran, das Holz splitterte, der Ast brach, und James wäre fast noch gefallen, konnte sich im letzten Moment allerdings fangen und auf den Beinen halten. Dabei geriet er mit dem linken Fuß auf den Grabstein, wo auch das verzerrte Gesicht zu sehen war. Als James es sah, erschrak er, aber er spürte den gleichen Widerstand, der ihm entgegengebracht wurde, wenn alles normal gewesen wäre. Das Erscheinen des Gesichts hatte die äußere Form des Steins nicht verändert.
    Mit dem Ast in der Hand fiel er neben der Leiche seiner Frau auf die Knie. Ein Taschenmesser trug er immer bei sich. Er holte es hervor, zog die Klinge heraus, schaute sie einen Moment an, nahm den abgebrochenen Ast und begann damit, ihn an der Bruchstelle anzuspitzen. James McMollugh erinnerte sich dabei an seine Jugendjahre, wo er noch bei den Boy Scouts - Pfadfindern - gewesen war. Dort hatte man ihnen beigebracht, wie man einen Ast anspitzte. So einiges davon war noch hängengeblieben.
    Trotz der Angst arbeitete er schnell und auch geschickt. Seine tote Frau wurde von den wegfliegenden Spänen getroffen. Einige verschwanden in ihrem Rachen, was allerdings ihre Schreie nicht beeinträchtigte. Die drangen weiter aus dem offenen Mund und malträtierten die Nerven des Mannes.
    James war fest entschlossen, ihrem allerletzten Wunsch nachzukommen. Er würde ihr den Pfahl durch die Brust stoßen, und zwar dort, wo auch das Herz sitzt.
    Da kannte er kein Pardon.
    Weißgelb stach die Spitze auf der dunklen Rinde hervor. Mit der Klinge hatte James sie so zugespitzt, wie es eben möglich war. Wenn er damit über seine Haut fuhr, blieb eine kleine Wunde zurück. Der Pfahl würde auch in den Körper dringen, wenn er genügend Kraft einsetzte!
    Er steckte seine Waffe in den Gürtel und stand auf. Für einen Moment blieb er in gebückter Haltung, holte noch einmall tief Luft, packte die Tote unter und hievte sie in die Höhe. Beim Hochstemmen hatte er Schwierigkeiten: sein Gesicht verzerrte sich, die Lippen bildeten einen Strich, wobei die Augen etwas aus den Höhlen quollen. Dann aber stand er und konnte die schreiende Tote über seine Schulter werfen. Ein schauriges Bild. Er trug eine Leiche, die noch schrie. So etwas hatte er noch nie erlebt. Wenn ihm dies jemand gesagt hätte, er hätte ihn für verrückt erklärt vor einigen Tagen, als noch alles normal gewesen war. Wer tot ist, ist tot. Diese Meinung hatte er bisher immer vertreten, doch nun wurde er eines Besseren belehrt. Auch Tote konnten leben. Sie schrien und ächzten, artikulierten sich auf diese makabre Art und Weise. Schwer stapfte er den Weg entlang, begleitet von den Schreien der auf den Grabsteinen zu sehenden Gesichter. Aber sie waren leiser geworden, der makabre Chor hatte sich abgeschwächt und war in einen schaurigen Singsang verfallen, der in seiner Monotonie an das Ritual einer Totenmesse erinnerte.
    Noch immer wehte der Nachtwind über den alten verlassenen Friedhof. Er bog die Zweige der Bäume zum Weg hin, sie neigten sich, und der einsame Wanderer hatte das Gefühl, als wollten sie ihn allein begrüßen und ihn mit seiner toten Frau willkommen heißen im Land ohne Wiederkehr.
    Seine Schritte wurden schleppender, aber er gab nicht auf, denn es konnte nicht mehr lange dauern, bis das Ziel erreicht war. Das letzte Grab in der Reihe. Es mußte offen sein. Und es war offen!
    Er sah es auf der rechten Seite. Neben dem Grab wölbte sich ein brauner Hügel, den der unbekannte Schaufler hinterlassen hatte. Das Grab selbst besaß eine normale Länge und auch eine völlig normale Tiefe. Es unterschied sich in nichts von den anderen Gräbern in der langen Reihe, nur daß dieses noch keinen Stein besaß. Zudem war es nicht zuzgeschaufelt.
    James McMullogh ließ seine tote Frau von der Schulter gleiten. Sie schlug mit dem Rücken auf den Boden, wobei aus ihrem offenen Mund ein

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