Ewige Treue
Schösslinge der Ranke beiseite und legte dabei ein Metallgitter am Fuß der Mauer frei. Er schob es mit der Fußspitze zur Seite. »Ein Abflusskanal«, erklärte er.
»Wie hast du den gefunden?«
»Ich habe danach gesucht.« Er legte die Hand auf ihre Schulter und zwang sie in die Knie. »Krabbel durch. Ich komme dir nach.«
Auf dem Bauch liegend, schob sie sich durch die Öffnung. Der Boden war feucht, aber nach der langen Trockenheit nicht schlammig. Die Mauer war etwa dreißig Zentimeter dick. Auf der anderen Seite lag ein acht Hektar großer Grünstreifen, der als Puffer zwischen mehreren riesigen Privatgrundstücken wie dem der Speakmans und einem nahen Gewerbegebiet diente.
Bis sie wieder auf die Füße gekommen war, hatte Griff die Reisetasche durch die Öffnung geschoben. Er konnte nur mit Mühe die breiten Schultern durch die Mauer zwängen, aber schließlich hatte er es geschafft und sprang auf der anderen Seite auf die Füße. Dann nahm er ihre Hand und führte sie durch ein unebenes, steiniges Bachbett. Jetzt war es ausgetrocknet, aber nach einem Regen würde das vom Grundstück der Speakmans abfließende Wasser durch die Öffnung, durch die sie eben entkommen waren, in den Bach strömen.
Sobald sie das Bachbett durchquert hatten, lief Griff durch den Grüngürtel. Erst als sie sich dem Boulevard auf der anderen Seite näherten, wurde er langsamer und ging in normalem Tempo weiter. Jenseits der breiten Fahrspuren gab es eine Reihe von Boutiquen und zwei beliebte Restaurants. Die Läden waren geschlossen, aber in den Restaurants drängten sich die Gäste.
Er blieb im Schutz des dunklen Parks stehen und ließ ihre Hand lang genug los, um das Uniformhemd auszuziehen, unter dem er ein weißes T-Shirt trug. Er zog die Pistole aus dem Holster und warf dann Waffengurt, Hemd, Schirmmütze und Getränkedose in den nächsten Mülleimer. Anschließend steckte er die Pistole in Manuelo Ruiz’ Reisetasche und zog den Reißverschluss zu.
Er nahm wieder ihre Hand, wartete auf eine Lücke im Verkehr und überquerte dann die durch einen Mittelstreifen getrennte Straße. Er rannte nicht, wodurch er nur Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte, sondern eilte mit langen Schritten auf den Parkplatz eines indischen Restaurants. Dort schlängelten sie sich durch die geparkten Autos, bis sie ganz hinten im dunkelsten Abschnitt des Parkplatzes angekommen waren.
Er angelte einen Schlüssel mit Fernbedienung aus seiner Hosentasche und schloss damit einen Wagen auf. Im nächsten Moment hatte er die Beifahrertür aufgezogen und machte ihr ein Zeichen einzusteigen. Er kam auf die Fahrerseite, setzte sich hinters Lenkrad, schloss die Tür und warf die Reisetasche auf den Rücksitz. Die Innenbeleuchtung wurde dunkler und erlosch, und dann saßen sie im Dunkeln.
Still und stumm saßen sie da und versuchten, zu Atem zu kommen.
Erst jetzt, als sie zur Ruhe kamen, merkte Laura, wie atemlos sie war und wie schnell ihr Herz schlug, vom Adrenalinschub wie von der körperlichen Erschöpfung. Ihre Handflächen waren verdreckt. Ihr Jogginganzug war auf der Vorderseite mit loser Erde verschmiert.
»Das tut mir leid«, sagte er mit einem Blick auf ihre Hände.
»Ich bin genauso auf der Flucht. Da macht mir ein bisschen Dreck nichts aus.«
»Du bist nicht auf der Flucht, ich bin es. Du bist meine Geisel, vergiss das nicht.«
Sie lächelte erschöpft. »Du hast gefragt, warum Rodarte mich einsperren ließ? Er hat behauptet, es sei zu meinem Schutz.«
»Aber?«
»Aber in Wahrheit hatte er Angst, dass ich dir bei der Flucht helfen könnte.« Sein Blick blieb reglos, trotzdem las sie die unbeantworteten Fragen darin. »Er hat das nie ausgesprochen, aber ich hatte so eine Ahnung, dass er mich nur deswegen ins Hotel gebracht hat und ständig bewachen ließ. Und ich nehme an, ich habe dir tatsächlich bei der Flucht geholfen, oder?«
»Bedeutet das, dass du an meine Unschuld glaubst?«
Ehe sie darauf antworten konnte, kam ein Streifenwagen laut jaulend und mit kaleidoskopartig blinkenden Lichtern den Boulevard hinabgeschossen. Griff schaltete die Zündung ein. Grinsend erklärte er: »Eine gefährliche Gegend hier. Wir sollten lieber wohin fahren, wo es sicherer ist.«
Er musste warten, bis ein weiterer Streifenwagen vorbeigerast war, bevor er auf die Straße biegen konnte. »Du provozierst sie«, bemerkte sie.
»So tapfer bin ich wirklich nicht. Aber sie werden nicht nach diesem Wagen suchen.«
»Wem gehört er?«
Er fuhr weiter,
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