Ewige Treue
jener Nacht entrissen worden waren. Vielleicht würde sie ihr schlechtes Gewissen erleichtern, wenn sie ihm diesen Traum erfüllte, und auf diese Weise ihr früheres Leben wenigstens zum Teil zurückgewinnen.
Entnervt über ihr Selbstmitleid wandte sie sich vom Fenster ab. Dabei spürte sie ein Ziehen zwischen den Beinen, das sie zusammenzucken ließ, zum einen unter dem Schmerz, zum anderen unter der Erinnerung.
Es war Griff Burkett nicht leichtgefallen, sie zu nehmen. Dass sie so trocken und spröde war, sagte viel über ihr Sexualleben aus, das allein war unerträglich peinlich. Aber immerhin war er so einfühlsam gewesen, ihren Zustand zu bemerken und kurz innezuhalten. Er hatte sogar kurz gezögert weiterzumachen, weil er wusste, dass er ihr wehtun würde. Und das hatte er auch …
Nein. Sie würde nicht mehr daran denken. Würde nicht mehr an ihn denken. Dadurch wurde die Sache persönlich. Und wenn sie persönlich wurde, war damit ihr Argument hinfällig. Jenes Argument, mit dem sie sich selbst überzeugt hatte, Fosters Plan zuzustimmen, weil es ein ebenso klinischer und ebenso wenig emotional bindender Akt war, wenn sie einen Ersatzvater einsetzten, um ein Kind zu zeugen, wie die künstliche Befruchtung im sterilen Ambiente einer Arztpraxis.
Doch das leichte Brennen zwischen ihren Schenkeln erinnerte sie höhnisch daran, dass sie mit einem Mann zusammen gewesen war. Dass sich ein Mann in ihr bewegt hatte. Dass er sich in ihr ergossen hatte.
Wie hatte sie auch nur einen törichten Moment lang glauben können, dass das ein klinischer Akt sein könnte?
11
D
ie Sportbar war voll und laut, aber Griff war überzeugt, dass er endgültig durchdrehen würde, wenn er auch nur einen weiteren Abend allein in seinem Apartment verbringen würde.
Nachdem er tagsüber nichts Sinnvolles zu tun hatte, waren die Abende besonders lang. Inzwischen war er so braun, dass es schon nicht mehr gesund aussah. Obwohl er weiterhin sein strenges Übungspensum durchzog, langweilte ihn das ewige Trainieren. Er hatte alle aktuellen Filme gesehen, und zwar mehr als einmal. Er hatte alles gelesen. Jedenfalls alles, was er unterhaltsam fand.
Marcia beendete ihre Genesung zu Hause und hatte Griff über Dwight bitten lassen, sie dort nicht zu besuchen. »Sie hat auch so einen Haufen zu verarbeiten. Außerdem wartet noch die plastische Operation auf sie«, hatte Dwight ihm erklärt. »Sie braucht Ruhe. Bestimmt meldet sie sich bei dir, wenn sie wieder zu strahlender Schönheit erblüht ist.«
Die Nachricht war zwar höflich, doch Griff konnte zwischen den Zeilen lesen. Er war eine zusätzliche Komplikation, die sie jetzt nicht brauchen konnte. Sie gab ihm nicht die Schuld an dem, was ihr zugestoßen war, aber es war für sie selbst und für ihr Geschäft besser und gesünder, wenn sie ihn auf Abstand hielt.
Infolgedessen konnte er sich nicht einmal mehr auf die täglichen Fahrten zum Krankenhaus freuen. Er langweilte sich. Und er war vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben einsam. Ein Ausgestoßener zu sein war etwas anderes, als freiwillig allein sein zu wollen.
An seiner Haft hatte er mit am meisten gehasst, dass er keine Privatsphäre gehabt hatte. Während jener fünf Jahre hatte er sich nach Abgeschiedenheit gesehnt, und er hatte sich geschworen, dass er sie nie wieder für selbstverständlich nehmen würde. Aber dafür hatte es, wenn er Lust zum Plaudern hatte, jederzeit andere Gefangene zum Rumblödeln gegeben. Alle seine Mahlzeiten hatte er in der Gesellschaft anderer Menschen gegessen.
Jetzt hatte er niemanden mehr, mit dem er sich die Zeit vertreiben konnte. Manchmal vergingen ganze Tage, ohne dass er ein Wort mit einem anderen Menschen wechselte.
Nicht dass er von Natur aus gesellig gewesen wäre. Wie Bolly so unverblümt erklärt hatte, war er immer ein Einzelgänger gewesen. Ohne jeden Zweifel war dieser Wesenszug ein Überbleibsel aus seiner Kindheit. Seine Mutter hatte ihn durch ihre Vernachlässigung gezwungen, allein zurechtzukommen. Ob es nun ums Essen, um seine Ängste oder um Unterhaltung gegangen war, er hatte sich immer nur auf sich selbst verlassen können.
Die erzwungene Selbstgenügsamkeit hatte sich zu einem Charakterzug verdichtet. Außerdem war sie zu einer Waffe geworden, mit der er andere Menschen auf Abstand halten konnte, sei es aus Abneigung oder aus Misstrauen. Er verstand nicht, was es ihm bringen sollte, wenn er zuließ, dass jemand Macht über ihn hatte. Selbst die lockerste Freundschaft hatte
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