Ewige Versuchung - 5
gleichgültig war – und so verdreht es sein mochte: Das gefiel ihr.
Die Vampire beäugten sie misstrauisch, teils verächtlich, wobei die Frauen ihre Geringschätzung offener ausdrückten als die Männer. Aber keiner von ihnen äußerte Einwände gegen ihre Anwesenheit, und niemand näherte sich ihr.
Seltsam. Sie hätte gedacht, sie würden sie zum Frühstück vertilgen.
»Ich möchte wissen, welche Verbrechen dem Orden angelastet werden. Vielleicht kann ich ein paar eurer Fragen beantworten und ihr einige von meinen.«
Temple sah sie an, als wollte er ihr glauben, wagte es jedoch nicht. »Gut. Nimm Platz. Wenn ich vorstellen darf: Vivian Villiers.«
»Barker«, korrigierte sie und fühlte sich weniger schlecht, weil sie Ruperts Namen abgelehnt hatte. Wen kümmerte schon, wie sie mit Nachnamen hieß? »Mein Name ist Vivian Barker.«
Als Temple sie anstarrte, lag ein merkwürdiges Funkeln in seinen Augen. Wie konnten sie einander mit einem solchen Misstrauen und solcher Abneigung begegnen, wenn er sie offenbar ebenso sehr begehrte wie sie ihn? Das ergab überhaupt keinen Sinn.
Er stellte sie seinen Freunden vor, wobei er Marcus Grey natürlich ausließ, hatte sie sich mit ihm doch schon selbst bekannt gemacht. Sie setzte sich neben den jungen Mann. Zwar würde er ihr keinen großen Schutz vor den Vampiren bieten können, aber sie überlegten es sich vielleicht zwei Mal, ihn niederzumähen, um an sie heranzukommen.
Außerdem gefiel ihr, wie Temple die Zähne zusammenbiss, als sie neben dem gutaussehenden Sterblichen Platz nahm.
»Hat jemand Einwände gegen Miss Barkers Anwesenheit?«, erkundigte er sich angespannt.
Als niemand protestierte, gab Temple ihr eine letzte Chance, feige wegzulaufen. »Dir wird nicht gefallen, was du hörst.«
Vivian bemühte sich, möglichst gefasst zu wirken. »Nein, vermutlich wird es das nicht. Zum Glück hängt die Wahrheit nicht von meinem Wohlgefallen ab.«
Einer der männlichen Vampire, ein verwegen aussehender mit dunklem Haar und stechenden hellen Augen, zog eine Braue hoch. »Ich denke, sie wird es verkraften, Temple. Können wir dann anfangen?«
Temple nickte. »Na gut.« Vielleicht war er der Feige, überlegte Vivian. Sorgte er sich, dass sie nicht schwankte, oder dass sie etwas hörte, was ihre Meinung über Rupert änderte? Nein, sie glaubte nicht, dass er sich solche Sorgen um ihre Gefühle machte. Er sorgte sich einzig um seine Ziele, seine Pläne. In dieser Hinsicht waren er und Rupert sich sehr ähnlich.
Die Wahrheit ängstigte sie nicht. Dass sie jedoch herausfinden könnte, dass sie für beide nichts als ein Mittel zum Zweck war, machte ihr Angst.
»Marcus, würdest du bitte beginnen?«
Der Mann warf ihr einen kurzen Blick zu, ehe er sich an die Runde wandte. »Der Silberhandorden trat an mich heran, weil er sich für eine Ausgrabungsstelle in Cornwall interessierte, an welcher der Heilige Gral vergraben sein sollte. Der Orden ermunterte mich mit dem Versprechen zu der Ausgrabung, mir Informationen über Dreux Beauvrai – meinen Vorfahr – zu geben, im Austausch gegen den Gral. Was ich nicht wusste, war, dass es sich um Temples Versteck handelte, das sie durch mich ausheben ließen. Als ich erfuhr, was sie vorhatten, erzählte ich es Chapel. Die Silberhand griff an und hätte uns alle getötet, wäre Chapel nicht so geistesgegenwärtig gewesen.«
Vivians Zorn regte sich. »Wie können Sie sicher sein, dass der Orden Sie töten wollte?«
Marcus drehte sich zu ihr, ruhig, aber ohne Mitgefühl. »Weil sie auf uns schossen.«
Ihr war, als legte sich ihr eine eisige Hand auf die Brust. Sie konnte nicht sprechen. Der Orden, Ruperts Freunde, schoss
auf Menschen?
Der Hellhaarigste der Vampire, der namens Chapel, sprach als Nächster. »Als wir zu Temples Versteck vordrangen, war es zu spät. Der Orden hatte ihn bereits entführt.« Er ergriff die Hand seiner Frau. »Pru geriet in eine Giftfalle und wäre beinahe gestorben.«
Prudence drückte seine Hand und sah ihn liebevoll an. »Ich erinnere mich, was sie dir antaten, wie sie dich verletzten. Sie wollten auch dich fangen.«
Nun hätte Vivian sich sagen können, dass es sich um Vampire und folglich nicht um Menschen handelte, aber Prudence war zu der fraglichen Zeit kein Vampir gewesen. Marcus Grey und Pater Molyneux waren bis heute menschlich. Wie konnte der Orden das Risiko eingehen, Sterbliche zu gefährden? Und war sie ehrlich, verstand sie ebenso wenig, warum sie Vampire verwunden wollten.
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