Ewige Versuchung - 5
Haut und das erstaunlich rote Haar aufs Trefflichste zur Geltung brachte.
In dem Restaurant saßen noch zwei Rothaarige, doch bei keiner war dieser Ton naturgegeben. Heutzutage gab es außerdem viele Frauen, die genauso groß waren wie seine Frau. In dieser Stadt wurden ihre Figur, ihre vollen Lippen und ihre stürmischen Augen nicht als ein Defekt angesehen, sondern galten eher als beneidenswert. Vivian blühte in diesem neuen Jahrhundert auf und erstrahlte vor seinen Augen zu einer wundervoll selbstbewussten Frau.
Falls es möglich war, liebte er sie heute noch mehr als an dem Tag, an dem Lilith sie ihm zurückgegeben hatte.
Apropos Göttin … »Hat jemand von Lilith gehört?«, fragte er und nippte an seinem Champagner.
»Das Letzte, was mir zu Ohren kam, war, dass sie in Griechenland ist«, antwortete Saint, dessen einer Arm lässig auf der Rückenlehne von Ivys Stuhl lag. »Ich glaube, jemand hat behauptet, dort Sammael gesehen zu haben.«
Bishop schüttelte den Kopf. »Er tut mir leid, wenn sie ihn findet.« Er saß auf derselben Tischseite wie Saint, Marika zwischen ihnen. Obwohl sie große Zuneigung zu Saint hegte, war an ihrem Lächeln deutlich zu erkennen, dass ihr Herz Bishop gehörte. Und sollte das noch nicht als Bestätigung reichen, tat es ihr gerundeter Bauch. Die beiden erwarteten ihr erstes Kind, schlossen sich also Reign und Olivia an, die ein Jahrhundert zuvor Eltern geworden waren.
Ihre Tochter Dreux, benannt nach einem ihrer Brüder, der sich vor sechshundert Jahren das Leben genommen hatte, war in England, wo sie zum fünften Mal in den letzten fünfzig Jahren Nachtkurse an der Universität machte. Temple hatte keine Ahnung, was sie jetzt gerade studierte oder warum Olivia und Reign sie weiter verhätschelten, obwohl sie offenbar alt genug war, um für sich selbst zu sorgen. Sie teilte sich eine Wohnung mit Olivias Neffen James, und die beiden schienen recht gut miteinander auszukommen, auch wenn die Leute oft Dreux für James’ ältere Schwester hielten, die in Wahrheit zwanzig Jahre jünger war. James war mit zwanzig verwandelt worden, während Dreux’ Körper zu altern aufgehört hatte, als sie Mitte zwanzig war und die Vampirgene vollständig ausgereift waren.
Aus der Entfernung war es faszinierend zu beobachten gewesen, wenngleich die Geschichten, die Temple von Reign hörte, ihn veranlassten, es sich lieber noch einmal zu überlegen, ehe er selbst Vater wurde.
Anscheinend teilte Saint seine Bedenken, denn er und Ivy waren ebenfalls kinderlos. Chapel und Pru hingegen hatten bereits zwei Kinder: ein Mädchen namens Francis nach ihrem lange verschiedenen Freund, Pater Molyneux, und einen Jungen mit Namen Marcus. Beide Kinder waren irgendwo in der Weltgeschichte unterwegs, um mit ihren neunzig beziehungsweise fünfundsiebzig Jahren ihren eigenen Weg zu finden.
Temple erhob abermals sein Glas. »Noch ein Toast: auf Molyneux und Grey, zwei der besten Männer, die ich je kannte.«
Traurig lächelnd hoben auch die anderen ihre Gläser und stießen auf die beiden an. Molyneux war kurz nach der Zerschlagung des Silberhandordens einer Krankheit erlegen. Immerhin konnte er noch in sein geliebtes Frankreich zurückkehren und in seinem eigenen Bett sterben, so friedlich, wie es sich ein Mensch nur wünschen konnte.
Marcus Grey war 1970, ein Jahr nach seiner Frau Shannon, im Alter von achtundneunzig gestorben. Er war bei einer Ausgrabung in Nordengland gewesen, wo er normannische Ruinen freilegte, als sein Herz schließlich versagte. Nun ruhte er auf der Insel Clare neben Shannon. Ihre fünf Kinder waren alle noch am Leben, wie auch ihre Enkel und Urenkel, die sämtlichst mit der Langlebigkeit ihrer Eltern gesegnet waren.
»Auf das Leben«, sagte Chapel. »Möge es immer in Erfahrungen gemessen werden statt in Jahren!«
»Auf das Leben!«, stimmten Temple und die anderen ein. Er nahm Vivians Hand und ergänzte: »Und auf die Liebe – die eine Erfahrung, die all diese Jahre lohnenswert macht.«
Alle pflichteten ihm bei und neckten ihn, weil er so sentimental war. Doch als Vivian sich zu ihm beugte und ihn küsste, störte es Temple nicht mehr. Er war einfach froh, diese Frau an seiner Seite und seine Freunde um sich herum zu haben – mit allen Erfahrungen und Jahren, die dazugehörten.
Und er freute sich auf die Abenteuer, die noch kommen würden.
Über Kathryn Smith
Kathryn Smith entdeckte ihre Leidenschaft für Bücher im Alter von zehn Jahren, als sie die Romane von Kathleen
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