Ewige Versuchung - 5
Geschichte kein gutes Ende hatte. Sonst wäre Temple nicht hier bei ihr. »Also hast du sie zum Vampir gewandelt?«
»Ja. Es ist nicht einfach, musst du wissen. Zunächst einmal muss der Vampir, der einen Menschen wandelt, mindestens hundert Jahre alt sein. Erst dann hat er überhaupt die Kraft, sein Blut zu geben.«
»Das wusste ich nicht.«
Sie fühlte, wie er mit der Schulter zuckte. »Nein, das wissen die wenigsten. Außerdem muss die Person, die gewandelt wird, über bestimmte Eigenschaften verfügen, damit sie die Verwandlung überlebt.«
»Welche Eigenschaften?«
»Da wäre zum einen Willensstärke – der Wille zu überleben. Die Verwandlung kann weit über das Physische hinausgehen. Bei manchen macht auch der Geist drastische Veränderungen durch.«
Wieder hörte er sich seltsam distanziert an, als wäre er in Gedanken gar nicht mehr bei ihr, sondern in einer weit entfernten Zeit, bei derselben Frau, auf die Vivian so schrecklich eifersüchtig war. »Ist das mit Lucinda geschehen?«
»Ja. Bevor ich sie wandelte, war sie eine wunderbare Frau. Die beste.«
»Ich hasse sie«, sprudelte es aus ihr heraus, ehe sie sich bremsen konnte. »Entschuldige!«
Temple lachte leise. »Ist schon gut. Es gibt Momente, in denen ich Villiers allein deshalb hasse, weil er dich länger kennen durfte als ich, weil er dich besser kennt.«
»Nein.« Sie legte eine Hand auf seine Schulter und streichelte sie. »Nicht besser.« Als er ein tiefes Brummen von sich gab, lächelte sie. »Erzähl mir mehr von Lucinda!«
»Nachdem sie zum Vampir geworden war, veränderte sie sich auch auf andere Weise. Sie genoss ihre neue Stärke, ihre schnellen Reflexe. Vor allem aber liebte sie das Töten. Sie brachte eine ganze Familie um, eine Familie mit fünf Kindern.«
Vivian drückte seine Schulter. »Das tut mir leid. Hast du sie verlassen?«
Sein Lachen klang rauh, freudlos. »Nein. Ich tötete sie.«
»Es war dumm von dir, herzukommen.« Rupert strengte sich an, seinen Missmut zu bändigen, denn noch war Kimberly sehr wichtig für seine Pläne. »Jemand könnte dich gesehen haben.«
Sie schritt vor seinem Schreibtisch auf und ab. »Niemand hat mich gesehen. Ich ging fort, bevor die Bediensteten aufstanden und nachdem alle Vampire sich ins Bett gelegt hatten.«
»Fand der Fährmann es nicht seltsam, dass du zu dieser Stunde aufs Festland wolltest?«
»Ich habe ihm etwas von unerwarteten Gästen erzählt, für die ich dringend zusätzliche Vorräte beschaffen müsste – was nicht einmal gelogen war. Mein Kutscher besorgt gerade alles.«
»Und was glaubt dein Kutscher, wer ich bin? Hast du ihm weisgemacht, du möchtest einige Zeit mit deinem Liebhaber allein sein?«
Tatsächlich errötete sie, die kleine Närrin!
»Natürlich nicht!« Sie massierte sich die Stirn mit ihren zarten Fingern. »Diese fortwährenden Täuschungen sind überaus ermüdend.«
Er reichte ihr ein Glas Sherry. »Bald ist alles vorbei, meine Teure. Mute dir nicht zu viel zu!«
Dankbar nahm sie das Glas. »Verzeih, dass ich mich beklage! Gewiss kannst du es selbst nicht erwarten, dass endlich alles vorüber ist, und da jammere ich hier herum wie ein kleines Kind.«
Rupert lächelte, obgleich ihm nicht danach war, aber seine Besucherin schien es nicht zu bemerken. »Offensichtlich gibt es etwas Wichtiges, das du mit mir besprechen willst.«
Nachdem sie an ihrem Sherry genippt hatte, rückte sie heraus: »Ja. Vivian weiß, was sie ist.«
Rupert musste sich verhört haben. »Was sie ist?!«
»Ja doch!«, bestätigte Kimberly und rollte die Augen. »Eine direkte Nachfahrin Liliths. Hast du geglaubt, sie würde es nicht herausfinden?«
Genau genommen, ja, das hatte er. »Du hast versprochen, nichts zu sagen.« Es juckte ihn in den Fingern. Ein wenig Druck auf ihren Hals, und er wäre sie und ihr großes Maul los.
»Das habe ich auch nicht. Temple erzählte ihr alles.«
Temple? Das war interessant. Nun gut, das konnte er sicherlich zu seinem Vorteil nutzen. »Wie hat Vivian es aufgenommen?«
»Sie war selbstverständlich schockiert, aber nach dem ersten Schrecken scheint sie ihr Schicksal recht gut hinzunehmen.« Sie blickte mit großen Augen zu ihm auf. »Du verlierst sie, Rupert. Sie schlägt sich auf die Seite der Vampire.«
Eine plötzliche Enge in seinem Hals machte es schwierig, den Brandy hinunterzuschlucken. »Du irrst dich.«
Kimberly sah ihn mit einem solchen Mitleid an, dass er ernstlich versucht war, sie auf der Stelle zu töten.
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