Ewige Versuchung - 5
starrte sie mit mehr als einem Anflug von Ehrfurcht an. Glücklicherweise war da kein Hauch von Verlangen, so dass Temple davon absehen konnte, seinen Freund in Stücke zu reißen.
»Entschuldige die Störung«, sagte Reign zu Vivian. Sie lächelte, wie es die meisten Frauen taten, wenn sie seine unglaublich tiefe, raspelnde Stimme vernahmen. Zur Hölle mit diesem Mann! »Olivia konnte nicht schlafen, und eines der Mädchen erwähnte, dass deine Mutter eine Hebamme war.«
»War sie das?«, fragte Temple verwundert. »Das habe ich nicht gewusst.«
Vivian schmunzelte ihm zu. »Ich habe es dir bewusst verschwiegen.« Dann, nachdem sie ihn zum kompletten Idioten gemacht hatte, wandte sie sich Olivia und Reign zu. »Sie brachte mir bei, was sie wusste, ehe sie starb.«
Temple beobachtete stumm, wie Vivian eine Hand ausstreckte und sie unmittelbar vor Olivias Bauch hielt. »Ich kann dein Kind fühlen.«
Reign runzelte die Stirn, wohingegen Olivia sogleich lebendiger denn je wirkte. »Wirklich?«
»Ja«, versicherte Vivian. »Ich habe festgestellt, dass ich jedes Mal ein besonderes Ziehen in mir spüre, wenn ich in der Nähe eines Vampirs bin. Bei dir ist es stärker als bei anderen.« Sie sah der anderen Frau in die Augen. »Wie kann ich dir helfen?«
»Kannst du erkennen, ob das Baby ein Vampir ist?«, fragte Reign mit einem so ungeduldigen Unterton, dass Temple sich innerlich krümmte. »Ist es gesund?«
Vivian schüttelte den Kopf. »Genau kann ich es nicht sagen, aber was ich fühle, scheint mir vollkommen normal. Nein, es ist sogar noch angenehmer.«
Olivia ergriff Vivians Hand. »Ich muss dich um einen Gefallen bitten.«
»Jeden«, sagte Vivian, deren Großzügigkeit Temple das Herz aufgehen ließ.
»Da du von Lilith abstammst«, begann Olivia unsicher, »dachte ich, vielleicht … also, ich dachte, du könntest …«
»Möchtest du mein Blut?« Unverblümt und lächelnd sprach die allzeit direkte Vivian aus, was Olivia nicht über die Lippen brachte. Diese nickte. »Natürlich bekommst du es, wenn du glaubst, dass es hilft. Setzen wir uns.« Sie führte Olivia zu einer Chaiselongue nahe der Wand.
Reign folgte den beiden. »Manchmal geht es ihr besser, wenn sie mein Blut bekommt, aber sie trinkt ungern zu oft von mir.«
»Nicht jetzt«, erklärte Olivia. »Nicht wenn Reign seine Kräfte dringend braucht.« Mehr musste sie nicht sagen. Temple sah Vivian an, wie gut sie Olivia verstand. Olivia wollte nicht, dass ihr Mann geschwächt wurde, solange der Silberhandorden gefährlich nahe war.
»Ich denke, ich kann dir helfen.« Vivian hockte sich rittlings auf die Chaiselongue und bedeutete Olivia, sich vor sie zu setzen. »Während du mein Blut nimmst, probiere ich ein paar Dinge aus, die meine Mutter früher bei Frauen guter Hoffnung riet.«
Olivia zögerte nicht. Sie lüpfte ihr Nachthemd, um sich mit dem Rücken zu Vivian auf die Chaiselongue zu setzen und an sie zu lehnen, wie Vivian es ihr sagte.
»Entspanne dich«, wies Vivian sie an. »Ich kann dich halten, vertrau mir! Ja, so ist es besser.« Sie bot der Vampirin ihr Handgelenk an. »Nur zu!«
Temple schaute mit an, wie Olivia behutsam Vivians Arm in beide Hände nahm und die helle Haut mit ihren Zähnen durchbohrte. Vivian verzog kaum eine Miene, atmete tief ein, legte ihre andere Hand auf Olivias Bauch und schloss ihre Augen. Die beiden Frauen hätten so eine furchtbar erotische Szene abgeben können, was jedoch nicht der Fall war. Seite an Seite standen Temple und Reign da und bewunderten das Wunderschöne, Erstaunliche, das sich vor ihren Augen abspielte.
Nach wenigen Momenten hob Olivia den Kopf. Sie versiegelte die Bissmale an Vivians Unterarm und wischte sich ihren Mund mit dem Handrücken ab.
»Und nun«, ordnete Vivian an, »legst du dich hin und lässt mich ein bisschen mit deinem Kleinen plaudern.«
Hätte jemand ihm dies hier als Geschichte erzählt, hätte Temple es niemals geglaubt. Doch er sah alles selbst mit an, also blieb ihm gar keine andere Wahl, als es zu glauben. Olivia befolgte Vivians Worte. Vivian hielt die andere Frau wie ein Kind in den Armen, ihre Hand immer noch auf Olivias Bauch, und fing an, leise in einer Sprache zu singen, die Temple nicht verstand.
»Gälisch?«, fragte Reign flüsternd.
Temple schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Falls ja, ist es uralt.«
»Da stellen sich einem die Nackenhaare auf«, raunte Reign ihm achselzuckend zu.
Temple legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter. Auch er
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