Ewiger Schlaf: Thriller
Schublade neben mir und holte das Fotoalbum heraus. Ich hatte es vom Dachboden geholt, bevor er nach Hause kam. Mehr war nicht nötig. Er wurde grau, als würde kein Blut mehr in sein Gesicht fließen. Dann brach er in Tränen aus und fragte mich, wer ich sei.«
»Was hast du ihm gesagt?«
»Die Wahrheit. ›Ich bin Mallory‹, sagte ich. Er glaubte mir nicht, bis ich zu reden begann. Ich erzählte ihm Dinge, die nur ich allein wissen konnte – so, wie ich es auch bei dir getan habe. Ich erinnerte ihn an Dinge, die er zu mir gesagt hatte, Dinge, die niemand anders gehört haben konnte. Nachdem ich etwa zwei Minuten lang gesprochen hatte, fasste er sich an den linken Arm. Ich riss das Telefon aus der Wand und ging mit dem Fotoalbum hinaus. An diesem Abend hörte ich, dass er an einem Herzinfarkt gestorben war.«
Ein Ausdruck primitiver Genugtuung legte sich auf Lilys Gesicht.
»Warum hast du mir das erzählt?«
Sie neigte den Kopf und lächelte. »Ein Musterbeispiel. Du hast mich ebenfalls verraten, Johnny. Nicht so wie er. Du hast mir in die Augen gesehen, als du’s getan hast. Du hast versucht, den Schmerz zu lindern, so gut du konntest, aber letztlich hast du es nur schlimmer gemacht.«
»Mallory ...«
»Mach dir keine Sorgen. Ich verzeihe dir. Zumindest versuche ich’s. Ich weiß jetzt, warum du getan hast, was du getan hast. Ich habe deine Schuldgefühle gespürt, als ich in dir war. Du warst so jung. Du konntest dir nicht einmal vorstellen, verheiratet zu sein. Männer brauchen länger, um zu begreifen, was die wichtigen Dinge im Leben sind. Ich weiß das jetzt. Wir hatten Pech ... aber jetzt haben wir eine zweite Chance.«
»Mallory, hör mal ...«
»Wir haben jetzt keine Zeit, darüber zu reden«, sagte Lily, stellte die Beine wieder nebeneinander und glitt zum Rand des Betts. »Wir müssen uns um Annelise kümmern. Sie hat Angst, und sie versteht nicht, was sie gerade gesehen hat.«
Er erinnerte sich an das tränenüberströmte Gesicht seiner Tochter. »Mallory, du kannst nicht ... Das ist alles falsch. Das kannst du meiner Frau nicht antun.«
Sie schüttelte den Kopf, als rede er Unsinn. »Ich bin jetzt deine Frau, Johnny.«
»Mom? Wo bist du?« , klang Annelises ängstliche Stimme durch den Flur.
Als er sich der Tür zuwandte, hörte Waters Rose rufen: »Mr John, das Kind ist ganz aufgelöst! Sie muss ihre Mom sehen!«
»Hier drin, Rose«, rief Lily.
Annelise schoss durch die Tür wie eine Rakete, erstarrte dann aber und blickte zwischen ihrem Vater und ihrer Mutter hin und her. Lily streckte beide Arme aus.
»Komm her, Baby! Mom ist hier!«
Annelise sprang aufs Bett und umarmte Lily fest.
»Was soll ich jetzt tun?«, fragte Rose von der Tür aus; Misstrauen lag in ihrer Stimme.
Waters seufzte resigniert. »Gehen Sie nach Hause, Rose.«
»Es ist nur Maisbrot da. Die Schweinekoteletts und Makkaroni müssen noch gemacht werden.«
»Ich erledige das schon«, sagte Lily vom Bett aus. »Gehen Sie nach Hause, und gönnen Sie dem alten Arthur ein bisschen Ruhe.«
Der alte Arthur ... Roses Spitzname für ihre Arthritis. Mallory konnte nach Belieben auf Lilys Erinnerungen zugreifen. Niemand würde je die Wahrheit herausfinden können, indem er sie mit Fragen auf die Probe stellte. Nur Waters, der die Unterschiede sah, die hinter der Schlafzimmertür verborgen lagen, würde wissen, dass Mallory hinter Lilys Augen steckte. Vielleicht würde Rose im Laufe der Zeit spüren, dass etwas nicht stimmte – aber dann wäre es wahrscheinlich schon zu spät.
»Na gut«, sagte Rose widerstrebend. »Dann gehe ich.« Sie warf Waters einen letzten missbilligenden Blick zu und ging den Flur hinunter.
»Geht es dir wirklich gut, Mom?«, fragte Annelise.
Lily lächelte sie märchentantenhaft an. »Natürlich. Du gehst jetzt mit Daddy in die Küche und setzt Wasser für die Makkaroni auf. Ich zieh mir etwas Richtiges an, und dann mache ich dir Koteletts und den Salat.«
Annelise umarmte sie wieder; dann kletterte sie vom Bett und kam zu Waters. »Darf ich die Makkaroni alleine kochen?«
»Glaubst du, du kannst das?«
»Mom hat’s gesagt!«
»Also gut. Komm mit.«
Nach einem letzten harten Blick auf Lily nahm Waters Annelise auf den Arm und eilte zur Küche. Sie kicherte den ganzen Weg über, doch Waters’ Herz fühlte sich an wie ein Stein. Er wäre am liebsten aus der Haustür direkt zum Land Cruiser gerannt, um so viel Entfernung wie möglich zwischen Annelise und die verlorene Seele zu legen, die
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