Ewiger Schlaf: Thriller
die Bed & Breakfast-Pension hinter dem Haus – ich kann kaum erwarten, sie zu sehen.«
Waters nickte, sagte aber nichts. Die Tage, die auf eine trockene Bohrung folgten, waren immer sehr lang, angefüllt mit sinnlosem Papierkram, bedauernden Anrufen bei Investoren und tröstenden Besuchen von Kollegen. Dieses Mal war Waters noch bedrückter als sonst, während sein Partner mit beinahe manischem Eifer eine neue Probebohrung auf die Beine stellen wollte. An diesem Morgen hatte er Waters gedrängt, ihm die potenziellen Ölvorkommen zu zeigen, an denen er arbeitete – er sei in der Stimmung, Beteiligungen zu verkaufen, behauptete er. »Man darf die Leute nicht glauben lassen, dass wir am Boden sind«, sagte er mit seiner Werbestimme, doch in seinen Augen stand etwas ganz anderes als Enthusiasmus.
Ein Mann vom Parkservice klopfte sachte ans Fenster des Acura. Waters stieg aus und ging zur Beifahrerseite, um Lily die Tür zu öffnen. Sie trug ein knielanges schwarzes Kleid, das ihrer Figur schmeichelte; in einer Hand hielt sie eine glitzernde Gold-Handtasche, die Waters schon immer etwas zu protzig gefunden hatte. Er hatte es einmal erwähnt, doch Lily benutzte die Tasche weiterhin, also sprach er nicht mehr darüber. Waters hatte ohnehin keine Ahnung von Mode; er wusste nur, was ihm gefiel und was nicht.
»Sieh mal, da ist ... wie heißt er gleich ...?«, sagte Lily. »Dieser Schauspieler, der Devereux gekauft hat.«
Waters blickte auf und sah einen grauhaarigen Mann auf der vorderen Veranda stehen. Er kam ihm bekannt vor, doch Waters wusste nicht, wo er den Mann einordnen sollte. Natchez zog stets ein paar Berühmtheiten an. Sie kamen und gingen ungefähr in Fünfjahres-Zyklen, schien es Waters, und er schenkte ihnen nie viel Beachtung.
»Ich kann mich nicht erinnern«, sagte er. Als er sich abwandte, sah er ein figurbetontes rotes Cocktailkleid und eine glänzende Mähne dunklen Haars in der großen Eingangstür der Villa. Ein Funke des Wiedererkennens durchfuhr ihn, doch als er genauer hinsehen wollte, sah er nur noch einen Fuß in einem eleganten Schuh in der Tür verschwinden. Trotzdem war er beinahe sicher, dass er gerade Eve Sumner gesehen hatte.
Als Lily auf der Veranda stehen blieb, um sich mit der Frau eines hiesigen Arztes zu unterhalten, war Waters überrascht von seiner Ungeduld, in die Villa zu gehen. Bis Lily sich endlich verabschiedete und mit Waters das großzügige Foyer betrat, war von der Frau im roten Kleid nichts mehr zu sehen.
Die heutige Party war größer als die meisten »höfischen« Mardi-Gras-Feiern. Etwa vierzig Paare tummelten sich in den Räumen des Erdgeschosses, weitere Gäste waren im großen Hof hinter dem Haus. Auf der hinteren Veranda hatte man zwei Bars aufgebaut, und am Ende des Hofes stand ein langer Weintisch, an dessen beiden Enden Sechs-Liter-Magnumflaschen mit kalifornischem Silver Oak thronten. Eine schwarze Dixieland-Band spielte ein paar Meter neben dem Weintisch schwungvollen Jazz; ihre Messinginstrumente glänzten im Licht der Gaslampen. Waters kannte jeden Gast, den er sah. Viele von ihnen kannte er schon, seit er ein kleiner Junge gewesen war, doch waren in den letzten Jahren trotz der erlahmenden Wirtschaft eine ganze Reihe »Neuer« in die Stadt gezogen.
Er verließ Lily, die in ein Gespräch mit einer Tennisfreundin vertieft war, und besorgte sich einen Bombay Sapphire mit Tonic. Lily und er hatten eine Absprache für gemeinsame Partybesuche: Sie mischten sich getrennt unters Volk, richteten es aber so ein, dass sie sich alle zehn oder fünfzehn Minuten begegneten, falls einer von ihnen gehen wollte. Normalerweise war Waters der Erste, der diesen Wunsch äußerte.
An diesem Abend unterhielt er sich mit jedem, der ihn begrüßte, und diskutierte mit einigen ortsansässigen Ölunternehmern auch über die Jackson-Point-Quelle. Obwohl er nach und nach durch jeden Raum des Hauses kam, entdeckte er keine Spur von der Frau im engen roten Kleid. Er sah, dass Lily in einer Konversation mit einer redseligen Matrone aus dem Garden Club festsaß, und brachte ihr einen Chardonnay, um ihr Leid zu mildern. Auf dem Weg zurück zur Bar, wo er sich einen weiteren Drink besorgen wollte, schweifte sein Blick über die hintere Veranda – und er erstarrte.
Kaum zehn Meter entfernt stand Eve Sumner und sah über die Schulter eines Mannes zu ihm. Ihr Blick war intensiv, beinahe hypnotisch. Sie muss groß sein, dachte Waters, oder sehr hohe Absätze tragen, wenn sie über die
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