Ewiger Schlaf: Thriller
schaute Mallory Candler an und sah ein Funkeln in ihren Augen, das er in den nächsten zwei Jahren noch sehr oft sehen würde.
Nein, antwortete er. Das macht mir gar nichts aus ...
Denton lud sie alle in ein Restaurant ein, bis es Zeit wurde, die fünfstündige Fahrt zurück nach Oxford anzutreten. Auf dem Parkplatz des Restaurants stieg Waters’ Freundin in Dentons BMW , während Mallory ihr Gepäck im Kofferraum von Waters’ TR -6 verstaute – ein symbolischer Partnertausch, der Waters eine wohlige Gänsehaut bescherte.
Sie begannen die Fahrt schweigend, und dieses Schweigen hielt sechzig Kilometer an. Dann, an der Abzweigung auf die Fernstraße Richtung Norden, tauschten sie einen Blick, der einer vollständigen Unterhaltung ohne Worte entsprach. Sie waren noch etwa vier Stunden von der Ole Miss entfernt, als Mallory ihre Finger mit denen Waters’ verflocht und zu sprechen begann.
Zuerst erzählte sie von Dr. Denton und dass sie seine Bitte um ein Date angenommen habe, um zu beweisen, dass Alter für sie keine Rolle spiele, und auch, weil er ein enger Freund ihrer Eltern sei. Außerdem sei sie mit ihm ausgegangen, weil sie die Leute gern schockiere und weil es ihr Spaß mache zu beobachten, wie weit Denton gehen würde, um ihre Anerkennung zu gewinnen. Aber er sei mehr Geschäftsmann als Arzt, sagte sie, und mit »so jemandem« könne sie niemals zusammen sein. Dann fragte sie Waters nach seiner Beziehung zu ihrer Verbindungsschwester von der Tulane, und er sagte ihr vorsichtig die Wahrheit: Er schlief mit ihr, und sie hatten einander versprochen, nicht mit anderen auszugehen. Mallory fragte ihn über seine Familie aus, erzählte aber wenig von der eigenen. Sie wunderte sich laut darüber, dass sie so lange in der gleichen Stadt gelebt hatten, ohne sich richtig kennen zu lernen. Waters meinte, es liege daran, dass sie die exklusive St. Stephens-Schule besucht hatte, während er zusammen »mit den Schwarzen« auf die staatliche Schule gegangen war. Mallory bagatellisierte diesen Unterschied, was aber von ihrer Seite, aus der Warte der Reichen, leicht war.
Bald ging sie dazu über, Waters’ Fragen über seine Träume, seine Gedanken über Gott und seine sexuelle Vergangenheit zu stellen. Was ihre eigene Vergangenheit betraf, gestand sie eine »ernsthafte« Beziehung an der Highschool mit einem älteren Jungen, der aber nichts gekannt hatte, was über den »üblichen Footballspieler-Unsinn an einer Highschool hinausging«, und eine weitere Beziehung am College, wobei sie eine Menge »experimentiert« habe. Ihre Beziehung zu Dr. Denton war noch nicht bis zum Geschlechtsverkehr gediehen – wegen des Altersunterschieds nahm er besonders viel Rücksicht auf sie, und sie hatte es ausgenutzt.
Als sie um drei Uhr morgens Oxford erreichten, sagte Mallory, es habe keinen Sinn, jetzt noch zu schlafen. Es sei besser, bis zum Morgen durchzumachen und den Montagsunterricht auf Adrenalin durchzustehen.
Also fuhr Waters nicht zum Campus, sondern hinaus zum Sardis Reservoir, einem riesigen künstlichen See, den ein fünf Kilometer langer Damm umgab. An einem Ende des Damms spie ein Abflusskanal einen zehn Meter dicken Moloch aus Wasser aus, der mit erderschütternder Macht durch den Beton toste und sich in einen steinigen Kanal ergoss. Ein schmaler Steg führte über diesen Kanal, sodass man über dem donnernden Strahl stehen konnte und den Sprühnebel um sich herum fühlte wie einen der Schwerkraft trotzenden Regen, während das ohrenbetäubende Dröhnen erst das Gehör und dann den Verstand erfüllte.
Auf diesem Laufsteg nahm Mallory das Gesicht Waters’ in die Hände und küsste ihn mit unendlich viel mehr Leidenschaft, als er es in seinen neunzehn Lebensjahren erlebt hatte. Als sie sich dann von ihm löste, blickte er in ihre unergründlich tiefen grünen Augen und wusste, dass er verloren war. Er hatte das Gefühl, auserwählt zu sein – von ihr und von etwas Größerem, Unbekanntem, von derselben gestaltlosen Macht, die er gespürt hatte, als Denton ihn fragte, ob er Mallory zurück zur Ole Miss mitnehmen würde. Es war ein Gefühl, als ob sein Schicksal, wie immer es aussehen mochte, sich um ihn herum formierte.
Nach dem Kuss schlenderten sie Hand in Hand zum Wagen zurück. Waters fuhr wieder zum Campus, doch als sie vor Mallorys Verbindungshaus standen, schüttelte sie den Kopf. Sie musste ihn nicht zweimal bitten. Er fuhr zu einem leeren Sportplatz auf einem Hügel oberhalb seines Wohnheims und parkte das
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