Ewiger Schlaf: Thriller
Cabrio in der tiefen Dunkelheit, die der Dämmerung vorausgeht. Mallory lag auf seinem Schoß, und er beugte sich zu ihrem nach oben gerichteten Gesicht hinunter. In der zeitlosen Stunde, die folgte, blieben seine Hände stets oberhalb ihrer Taille; dennoch verließen sie die physische Domäne des Autos so eindeutig, als hätten sie sich mit Flügeln in den Nachthimmel erhoben. Waters witterte in Mallory eine Sexualität grenzenlosen Ausmaßes, als blicke er durch eine geöffnete Tür auf eine verschlossene und spüre zugleich, dass sich hinter dieser Tür noch eine befand, und noch eine – eine endlose Folge von Türen, von denen jede ihr eigenes Rätsel verbarg, und jedes Rätsel gab wieder ein neues auf, der innerste Kreis schien unerreichbar, undurchdringlich, ein zutiefst femininer Kern, den zu erreichen und zu verstehen er versuchen musste – er hatte keine Wahl.
Waters durchlebte den nächsten Tag wie in Trance und fragte sich ständig, ob Mallory das Gleiche gefühlt hatte wie er, ob die letzte Nacht für sie ein Anfang gewesen war oder lediglich eine interessante sonntägliche Ablenkung für eine schöne Frau, die nichts Besseres zu tun hatte. Um vier Uhr an jenem Nachmittag klingelte das Telefon. Mallory hatte ihren gesamten Unterricht verschlafen, doch sie wollte ihn wiedersehen. Seine Erschöpfung war sofort verflogen. Sie verbrachten den größten Teil der Nacht zusammen, sahen sich einen Film an, gingen essen, fuhren meilenweit, redeten und schwiegen miteinander.
Binnen zwei Wochen wurden sie unzertrennlich. Euphorie prägte ihre gemeinsamen Tage, doch sie wurde von einer unausgesprochenen Realität überschattet: Eigentlich war Mallory noch immer mit Dr. Denton zusammen, und Waters mit dem Mädchen von der Tulane. Aus diesem und anderen Gründen blieben sie die meiste Zeit unter sich und bremsten ihre leidenschaftlichen Begegnungen stets kurz vor dem Geschlechtsverkehr. Am Ende des ersten Monats jedoch war es schwierig geworden, sich zurückzuhalten. Während einer regnerischen Nacht in Waters’ Wohnheimzimmer setzte Mallory sich rittlings auf ihn, nahm ihn in die Hand und führte ihn in sich. Sie setzte sich langsam hinunter und stöhnte leise; dann seufzte sie und kletterte aus dem Bett. Während er sie verwirrt anstarrte, zog sie ihre Jeans an und rannte aus dem Zimmer. Waters schlüpfte in seine Hose und nahm die Verfolgung auf. Als er die Eingangstür des Wohnheims erreicht hatte, sah er Mallory den Hügel in Richtung Bibliothek hinaufrennen; ihr Haar flatterte hinter ihr im Regen. Barfüßig sprintete er ihr nach, wich Autos aus, um die Straße zu überqueren, und gelangte schließlich in Hörweite des Rasens vor der Bibliothek. Unter den meterhohen Lettern, die Faulkners Behauptung wiedergaben, der Mensch werde nicht nur überleben, sondern siegen, rief er ihr zu, dass sie warten solle. Als sie sich umdrehte, sah er, dass in ihren Augen nicht etwa Tränen, sondern wildes Entzücken stand.
»Liebst du mich?«, rief sie.
»Was?«
» Liebst du mich?«
Er stand im Regen und wusste nur, dass er es nicht ertragen konnte, körperlich von dieser Frau getrennt zu sein.
»Ja.«
»Was?«
»Ich liebe dich!«
Sie kam zurück zu ihm und küsste ihn, und dann strömten die Tränen doch noch. Nach einer Weile zog sie ihn auf die Tür der Bibliothek zu.
»Wohin gehen wir?«
»Du wirst schon sehen.«
Gleich hinter dem Eingang waren zwei Münztelefone. Mallory hob den Hörer des einen ab und reichte ihn Waters.
»Wen rufe ich an?«
»Du weißt es.«
Und dann wusste er es. Sie wollte, dass er seine Freundin in Tulane anrief und mit ihr Schluss machte. Er zögerte nur einen Augenblick lang. Er sagte dem Mädchen, dass er eine »Fernbeziehung« zu kompliziert fand. Sie fragte unter Tränen, ob er eine andere kennen gelernt habe, und er bejahte. Als sie fragte, wen, sah er Mallory an – und zum ersten Mal wirkte sie unsicher. Waters log und sagte, er habe ein Mädchen aus einem anderen Staat kennen gelernt. Während er redete, fühlte er sich seltsam unbeteiligt, als spräche er über den Tod eines entfernten Verwandten, doch als er auflegte, war er wütend. Er reichte Mallory den Hörer.
»Willst du, dass ich David anrufe?«, fragte sie.
»Ja.«
Sie biss sich auf die Unterlippe; dann nahm sie den Hörer und wählte die Nummer.
»Warte«, sagte er.
»Warum?« Sie wählte weiter. »Bist du dir nicht sicher?«
»Ich bin mir sicher, was dich betrifft und was ich fühle. Aber ... es David zu
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