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Ewiger Schlaf: Thriller

Ewiger Schlaf: Thriller

Titel: Ewiger Schlaf: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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entfernte sich von der Scheibe, und ein Zeigefinger deutete nach unten. Gleich unter dem Fenster befand sich eine Tür, eine von dreien in der Rückwand des Hauses. Als Waters wieder zum Fenster hinaufsah, war die Gestalt verschwunden.
    Er ging zur Tür, zögerte jedoch, als er die Hand auf den Knauf gelegt hatte. Wie ein Mann, der ein Bordell betritt, ein Krankenhaus oder ein Kloster, hatte er das Gefühl, dass er nie wieder derselbe sein würde, sobald er diese Tür erst durchschritten hatte. Ein Teil von ihm fürchtete sogar, er würde nie mehr herauskommen.
    Der Knauf drehte sich in seiner Hand, und sein Arm zuckte zurück. Er hatte beinahe damit gerechnet, dass die Tür sich öffnete, doch sie blieb geschlossen. Er wartete noch einen Augenblick, dann drehte er den Knauf und stieß die Tür auf.
    Ein Flur führte zu einer schmalen, mit Teppich ausgelegten Treppe. Waters sah Eve Sumner am oberen Ende stehen. Das marineblaue Kostüm und die hohen Schuhe waren verschwunden. Stattdessen trug sie ein hellgelbes Sommerkleid, in dem sie wie eine Bewohnerin der Insel St. Croix aussah. Ihre Füße waren nackt, und sie hatte ihr Haar mit einem rubinroten Schal im Nacken zusammengebunden, sodass ihr schlanker Hals frei lag. Waters war fast sicher, dass Mallory bei ihrer Reise nach Yucatán genau so ein Kleid getragen hatte. Eve sprach nicht, sah ihn nur aufmerksam an. Sie wartete darauf, dass er von allein hereinkam.
    Er trat über die Schwelle.
    »Ich bin froh, dass du gekommen bist«, sagte sie, und in ihren Augen schimmerten Tränen. »Ich habe so lange auf diesen Moment gewartet.«
    Er schloss die Tür hinter sich.
    Mit einer Handbewegung bat sie ihn die Treppe hinauf.
    Beim Hinaufsteigen betrachtete Waters den Raum, der die Kulisse für ihre atemberaubende Figur bildete: fünf Meter hohe Decken, riesige Stuckleisten und ein geschnitztes Emblem über dem Kronleuchter.
    »Ich weiß nicht genau, warum ich gekommen bin«, sagte er, als er die oberste Stufe erreicht hatte.
    Sie nahm seine Hand. Er spürte, dass sie zitterte. »Das musst du auch nicht wissen. Sei einfach nur hier.«
    Waters schaute sich staunend um. Die Villa war mit Antiquitäten im Stil der Zeit möbliert, sodass er das Gefühl hatte, sich im Jahr 1850 zu befinden, und die Besitzer hätten das Haus nur kurz für eine Kutschfahrt verlassen. Links von ihm stand ein riesiger, sargförmiger Flügel – ein Broadway aus England. Sechs Türen gingen von diesem zentralen Raum ab; einige führten zu Schlafzimmer-Suiten, die anderen zu einer Küche, einem Foyer mit Marmorfußboden und einem Esszimmer.
    »Wir sind allein«, sagte Eve. »Ich habe den einzigen Schlüssel.«
    Er sah sie an.
    »Komm, Johnny.« Sie zog ihn auf eine halb offene Tür zu. Dahinter befand sich ein kurzer Korridor, der zu einem Schlafzimmer mit zwei Betten führte. Ihre Schritte auf dem Hartholzboden ließen das Glockenspiel einer Standuhr leise klingen. Waters blieb neben der Uhr stehen.
    »Möchtest du noch reden?«, fragte Eve. Sie sah nervös aus.
    »Ich weiß nicht ...«
    Sie blinzelte. Ihre dunklen Augen schimmerten immer noch feucht. »Willst du mich noch einmal küssen?«
    Wieder flammte die Szene vom Friedhof vor seinen Augen auf: der Kuss, der ihn zwanzig Jahre in die Vergangenheit katapultiert hatte. »Ich habe darüber nachgedacht. Die Art, wie du küsst ... es ist ...«
    »Genau wie sie. Wolltest du das sagen?«
    »Ja.«
    »Dann küss mich noch einmal.«
    Er bewegte sich auf sie zu. Sie ließ seine Hand los und berührte sein Gesicht; ihre Finger folgten der Linie seines Kinns, seiner Lippen, berührten seinen Mund. Dann öffnete sie die Lippen und drückte sie sanft auf die seinen. Die Berührung durchfuhr ihn wie ein Stromschlag. Sein ganzer Körper kribbelte, als der Druck ihrer Lippen stärker wurde. Ihre Zunge glitt in seinen Mund, vorsichtig, forschend. Sie biss in seine Unterlippe und zog daran, genau wie sie es auf dem Friedhof getan hatte. Diesmal aber ließ sie ihn wissen, dass der Kuss nur ein Anfang war, die ersten Takte einer Symphonie, an die sie beide sich erinnerten. Das Verlangen, das sie gestern in ihm geweckt hatte, steigerte sich zu unerträglicher Spannung. Er wollte Eve so sehr, wie er seit Mallory keine Frau mehr gewollt hatte. Er ließ die Hände über ihr Gesicht gleiten und suchte in ihren Augen nach ... nach was?
    »Wer bist du?«
    »Du weißt es.«
    Er schüttelte mit plötzlicher Heftigkeit den Kopf. »Was willst du?«
    »Dich, Johnny. Ich will dich.

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