Ewiger Schlaf: Thriller
wandte kurz den Blick ab. »Besser als manche andere, die ich kannte.«
Er zog die Hand weg. »Was soll das heißen?«
»Ich habe es dir erzählt, Johnny. Du bist noch nicht bereit für die Wahrheit.«
»Wir haben gerade Sex gehabt. Wir haben keine Verhütungsmittel benutzt. Wie viel verrückter kann es denn noch werden?«
»Mach dir keine Sorgen wegen einer Schwangerschaft. Eve hat sich sterilisieren lassen.«
Es verwirrte ihn, dass sie in der dritten Person von sich sprach. Es fiel ihm schwer, angesichts ihrer offenkundigen Wahnvorstellungen klaren Kopf zu bewahren.
»Und was deine anderen Sorgen betrifft – ich habe einen Test gemacht. Eve war in der Vergangenheit nicht besonders wählerisch, aber ich habe sie verändert. Nach und nach.«
»O Gott. Es ist wie damals, wenn ich LSD genommen hatte«, murmelte Waters.
Eve kicherte, ein befremdliches Geräusch. » Du hast LSD genommen, Johnny?«
»Als ich in Alaska arbeitete, habe ich es ein paar Mal probiert. Aber niemand in der Stadt würde das glauben, Gott sei Dank.« Er strich ihr eine Haarsträhne aus den Augen. Sie hatte sehr feines Haar; es erinnerte ihn an Tierfell.
»Mmmm«, schnurrte sie.
Er ließ seine Hand zur Wölbung ihres Bauchs gleiten, dann weiter zum seidigen Haar darunter. Sie reckte sich seinen Fingern entgegen, drückte gegen seine Berührung. Er fuhr mit der Hand wieder hinauf zu ihrem Gesicht und streichelte ihre Wange.
»Wir sind auf der anderen Seite des Spiegels«, sagte er. »Ich will den Rest hören. Erzähl die Geschichte zu Ende, die du auf dem Friedhof angefangen hast.«
Angst flackerte in ihren Augen. »Nur wenn du versprichst, nicht zu gehen. Du musst mich zu Ende erzählen lassen.«
»Warum sollte ich gehen? Ich sage doch gerade, dass ich alles hören will.«
»Du hast noch nie etwas Vergleichbares gehört. Es ist nicht leicht, sich das anzuhören.«
»Fang an.«
Sie nickte zögerlich, und er lehnte sich nach hinten; sein Blick schweifte über die Unterseite des Baldachins, während sie mit ihrer tiefen Stimme, die jetzt leicht bebte, zu sprechen begann.
»Ich habe dir ja erzählt, wie es war. Die Vergewaltigung. Als ich in diesem Augenblick begriff, dass ich sterben würde, sah ich plötzlich nicht mehr ihn an – ich sah mich an. Mich – Mallory. Ich war in ihm, verstehst du? Und sah eine Frau an, die unter ihm lag und nicht mehr atmete. Und diese Frau war ich .«
Die Furcht, die Waters auf dem Friedhof überwältigt hatte, kehrte zurück und legte sich wie ein dunkler Schatten über ihn. Aus Eve sprach der Wahnsinn.
»Danach wurde alles leer«, flüsterte Eve, die nichts von seinen Gedanken ahnte. »Als wäre ich in ein Koma gefallen. Oder in einen Drogenschlaf. Hier und da wachte ich auf und sah Dinge ... Zimmer, Möbel, den Innenraum eines Autos ... doch sie waren mir fremd. Es war wie ein Albtraum, bei dem man im Körper eines anderen gefangen ist. Die Dinge, die ich sah ... im Laufe der Zeit fügten sie sich zu einem Bild zusammen. Der Mann, der mich vergewaltigt hatte, führte ein Doppelleben. Er hatte eine Frau, ein Haus in Marrero, einen Job als Techniker in einer Fabrik. Seine Kollegen hielten ihn für einen ganz normalen Menschen, aber in seinem Kopf war es wie ... wie die Hölle. Da waren so viel Wut und Schmerz, so viel Hass ... Ich kannte alle seine Gedanken, all seine Erinnerungen. Sie lauerten mir in der Dunkelheit auf, die Dinge, die ihm angetan wurden, als er noch ein Kind war. Es war widerwärtig. Die Art, wie er seine Frau behandelte ... wie sie sich duckte und es sich gefallen ließ. Manchmal verschloss ich mein Bewusstsein ... ging wieder schlafen, damit ich nichts davon sehen oder fühlen musste. Aber je mehr Zeit verstrich, desto schwieriger wurde es. Wenn ich wach war, versuchte ich nachzudenken. Ich verstand nicht, was geschah, aber ich lebte in diesem Mann. Und ich wurde stärker. Manchmal war ich ein oder zwei Stunden wach, und er wusste nichts davon. Er erinnerte sich an gar nichts, das merkte ich an den Reaktionen der Leute. Es war, als hätte er in diesen Zeiten ein Blackout. Er begann, sich vor diesen Blackouts zu fürchten. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte.« Eve schluckte. »Dann vergewaltigte er noch eine Frau.«
In Waters’ Magen bildete sich ein Eisklumpen.
»Er vergewaltigte und tötete sie ... genau wie er es mit mir getan hatte. Ich musste es miterleben, Johnny. Als ob ich selbst es tun würde. Die Frau war nicht so stark, wie ich gewesen war. Sie lag nur da,
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