Ewiger Schlaf: Thriller

warst. Aber ich musste auf irgendeine Art – in irgendeiner Gestalt – zu dir kommen, der du zuhörst. Jemand, den du attraktiv findest. Jemand, wie ich zuvor gewesen war.«
    Waters spürte ihren Blick wie eine Flamme auf der Haut. »Willst du damit sagen, dass du durch viele verschiedene Menschen ... gegangen bist, um dort anzukommen, wo du jetzt bist?«
    Er hatte das heftige Verlangen, aus dem Bett zu springen, aus diesem Albtraum zu entfliehen.
    »Woran denkst du?«, fragte sie, und ihre Stimme war von Angst gefärbt.
    »Ich versuche gar nichts zu denken. Ich höre nur zu.«
    Aber er dachte sehr wohl. Er dachte daran, dass paranoide Schizophrene in der Lage waren, unglaublich komplexe Illusionen zu konstruieren, bis ins kleinste Detail durchdacht und eng mit der Realität verwoben. Er wäre sich hundert Prozent sicher gewesen, dass genau dies der Fall war, hätte Eve nicht all die Geheimnisse über Mallory gekannt.
    »In wie vielen Menschen warst du, bis du zu Eve kamst?«
    »Neun.«
    Ihm wurde klar, was ihre Worte bedeuteten, und sein Gesicht fühlte sich plötzlich eiskalt an. »Und einer von ihnen war Danny Buckles? Deshalb hast du von dem Missbrauch an der Schule gewusst?«
    »Ja.«
    Großer Gott.
    »Ich weiß Dinge über diese neun Menschen, die niemand auf der Welt glauben könnte. Dinge, derentwegen sie sich das Leben nähmen, würden sie bekannt. Menschen sind korrupte Wesen, Johnny. Ich weiß noch, wie du über Thomas Hobbes gesprochen hast, als du Politische Philosophie belegt hattest. Hobbes hatte Recht, was die menschliche Natur betraf.«
    Diese beiläufige Erwähnung einer Vorlesung, die er vor zwanzig Jahren besucht hatte, durchbohrte ihn wie eine Klinge. In dieser unbewohnten Villa besaß die Logik keine Macht. Auf der einen Seite erzählte sie ihm eine Geschichte, die Poe im Opiumrausch hätte schreiben können; auf der anderen erwähnte sie ganz nebenbei Dinge, an die nur Mallory sich erinnern konnte – und das verlieh ihren Halluzinationen Glaubwürdigkeit.
    »Und du kannst dich nach freiem Willen in andere Menschen begeben?«, fragte er und konnte selbst nicht glauben, was er sich sagen hörte.
    »Nein. Nur auf die Art, wie ich sie dir beschrieben habe.«
    »Nur beim Sex?«
    »Nicht einfach nur Sex. Die andere Person – die Person, in die ich mich hineinbegebe – muss zum Höhepunkt kommen. Ihre Individualität muss dadurch außer Kraft gesetzt werden. Deshalb habe ich bei Männern leichtes Spiel. Bei Frauen ist es schwerer.«
    »Aber wie konnte es neun Jahre dauern?«
    »Ich habe ein paar Fehler gemacht.« Bitterkeit klang in ihrer Stimme mit. »Ich saß eine Zeit lang in einem Gefängnis fest. In einem Mann. Es gab zwar Sex dort, aber ...«, sie schauderte, »mit niemandem, der mich hinausbringen konnte.«
    Wer könnte sich einen solchen Irrsinn ausdenken?, fragte er sich.
    »Je weiter ich mich in der Kette vorwärts bewegte, umso leichter wurde es, in deine Nähe zu kommen. Aber trotzdem, es blieb schwierig. Ich brauchte sehr lange, bis ich die Kontrolle über meine ...«
    »Deine was?«
    »Meine Wirte, wollte ich sagen.«
    Eisige Finger schlossen sich um sein Herz. Der »Seelentransfer«, den sie beschrieben hatte, hatte eine direkte Entsprechung in der wirklichen Welt: Virusinfektionen. In Eves Welt wanderten Seelen auf dieselbe Art von Mensch zu Mensch wie eine durch Sex übertragbare Krankheit. War ihre absonderliche Wahnvorstellung eine paranoide Reaktion auf eine AIDS -Erkrankung?
    »Tust du das jetzt gerade?«, fragte er und versuchte, seine Stimme fest klingen zu lassen. »Ich meine, Eve kontrollieren?«
    »Ja.«
    »Ist Eve manchmal noch die richtige Eve?«
    Sie biss sich auf die Lippe und wandte das Gesicht ab. »Manchmal.«
    »Was fühlt sie, wenn sie da ist?«
    »Sie hat Angst. Sie war deswegen beim Arzt. Der überwies sie an einen Psychiater, der sie auf Medikamente setzte. Das funktionierte natürlich nicht. Eve ist verwirrt, und manchmal kommt sie durch, wenn ich es am wenigsten erwarte. Sie hat eine starke Persönlichkeit. Manche Menschen sind leicht zu beherrschen. Bei anderen ist es ... anstrengend. Ich bin niemals ganz ich selbst – nicht vollständig –, weil ein Teil meiner Energie stets darauf gerichtet ist, die Kontrolle über die jeweilige Person zu behalten.«
    Waters nickte, als würde das alles einen Sinn ergeben, doch in seiner Kehle steckte ein Schrei des Entsetzens.
    Plötzlich drehte Eve sich wieder zu ihm und drückte seine Schulter. »Johnny, was