Ewiger Schlaf: Thriller
auf der bereits Druckstellen von seiner Hand zu sehen waren. Und ihre Laute ... ihr Mund an seinem Ohr, flüsternd, drängend, spottend, bittend. Flüche. Bitten. Doch immer wieder kam sie auf die gleichen drei Worte zurück: ein flehentlicher Befehl, ein Mantra, der Soundtrack zu ihren lustvollen Bewegungen, ihrer kontrollierten Hingabe. »Sag meinen Namen ...«
»Eve«, hatte er gestöhnt.
Sie hatte den Kopf geschüttelt und sich mit gespreizten Fingern gegen die Wand gestützt, um sich gegen ihn zu drücken. » Nein. Sag ihn.«
»Eve ...«
»Nein! Sag meinen Namen!«
»Das habe ich doch ...«
»Sag ihn!« Jetzt war sie voller Wut, als sie heftig nach hinten stieß. »Du kennst mich jetzt! Du erinnerst dich!«
Er schüttelte den Kopf, unfähig, irgendetwas zu sagen, obwohl das Wort, das sie hören wollte, in seinem Mund anschwoll und ihn zu ersticken drohte.
»Sag meinen Namen, verdammt nochmal!«, schrie sie. Ein Fluss aus Schweiß rann das Tal herunter, das die Muskeln zu beiden Seiten ihrer Wirbelsäule bildeten. Seine Augen folgten der Linie ihres Arms bis zu den vier Narben, die ihre Uhr verborgen hatte. »Ich kann meinen Kopf nicht fühlen«, keuchte sie. »Johnny? Ich kann ... sag ihn ... sag meinen Namen! «
Er tat es nicht.
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9
I n den nächsten zwei Wochen sah er Eve jeden Tag. Anfangs versuchte er noch, Widerstand zu leisten, doch es war zwecklos. Zu wissen, dass sie höchstens ein paar Kilometer entfernt und doch nicht bei ihm war, machte es ihm unmöglich, sich auch nur auf die kleinsten Dinge zu konzentrieren. Seine Arbeit litt nicht darunter, denn er arbeitete nicht. Wenn er sich im Büro aufhalten musste, starrte er aus dem Fenster auf den Fluss oder durchstöberte die Mappe, die er in der verschlossenen Schreibtischschublade aufbewahrte.
Irgendwann klingelte dann sein Handy – ein Geräusch, auf das er eine pawlowsche Reaktion entwickelt hatte. Es durchdrang die Stille, und noch bevor der erste Klingelton verhallt war, hatte sein Herzschlag sich beschleunigt, und sein Atem war flach geworden, und er nahm sich selbst mit viel stärkerer Intensität wahr. Dann hörte er Eves Stimme ein knappes Kommando geben.
»Zehn Minuten.«
»Bin unterwegs«, sagte er und stand schon, den Schlüssel in der Hand.
Eve rief stets von einem öffentlichen Telefon aus an, und sie schaffte es immer, bereits auf ihn zu warten, wenn er zu ihrem Treffpunkt kam.
Anfangs benutzten sie Bienville. Waters hatte vorgeschlagen, sich in verschiedenen unbewohnten Häusern zu treffen, um den Anschein zu erwecken, als zeige Eve ihm Immobilien, die zum Verkauf standen, doch sie argumentierte zu Recht, dies würde mehr Probleme schaffen als lösen. Wenn sie Waters auf einer vorgetäuschten Hausbesichtigungs-Tour durch die Stadt führte, würde es schnell bis zu Lily durchdringen, dass ihr Mann sich alte Villen aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg ansah, und Lily würde sich nach dem Grund dafür fragen, da sie bereits eine solche Villa besaßen, die sie nicht verkaufen wollten. Darüber hinaus besaßen nur wenige Häuser solche Vorzüge wie Bienville, das dank seiner erhöhten Lage und dem dicht bewachsenen Garten inmitten des Stadtzentrums völlige Abgeschiedenheit bot. Das einzige Risiko, gesehen zu werden, bestand in dem Augenblick, in dem sie von der Wall Street auf die schmale Kiesstraße abbogen. Von diesem Moment an, bis sie wieder hinausfuhren – normalerweise Stunden später –, waren sie vor den neugierigen Blicken von Passanten sicher.
Waters lernte die Villa auf eine Art und Weise kennen, wie er nicht einmal sein eigenes Haus kannte – wie ein Kind, das alle geheimen Winkel und Verstecke erforscht. Sie liebten sich in jedem Zimmer, nicht weil sie es so beabsichtigten, sondern weil es sich so ergab. Wenn sie zwischen ihren Liebesakten das Haus erkundeten, fanden sie immer wieder gemütliche Ecken, die sie zuvor nicht entdeckt hatten, oder eine Badezimmer-Oberfläche, die genau die richtige Höhe besaß – und eine andere Art der Erkundung begann. Manchmal blickten sie aus dem halbmondförmigen Fenster im dritten Stock hinunter auf die Straße und beobachteten die Menschen, die vorbeigingen und von den nackten Liebenden über ihnen nichts ahnten.
Sie nahmen sich bei den Händen und küssten sich, und alles andere folgte so natürlich, wie Blumen sich zur Sonne hin öffnen.
Für Waters waren es Augenblicke glühender Reinheit, gegen die alles verblasste, was geschehen war und noch kommen mochte. Doch
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