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Ewiges Verlangen

Ewiges Verlangen

Titel: Ewiges Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wright
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nicht … du läufst zu schnell.«
    Alexander schwieg mit undurchdringlicher Miene, hob sie nur in seine Arme, als wäre sie leichter als eine Kiefernnadel, und lief raschen Schrittes weiterhin den Weg hinab. Sara ließ den Kopf an seine Brust sinken und sah das verschneite Ackerland verschwommen vorübersausen. Sie würde nicht gegen ihn ankämpfen oder die vielen Fragen stellen, die ihr nach allem, was sie soeben gehört hatte, in den Sinn kamen. Sie wusste, dass er fortmusste, um wieder frei atmen zu können. Es war ein Impuls, den sie nur allzu gut verstand.
    Als sie schließlich das Tor erreichten, biss sich Alexander erneut ins Handgelenk und strich mit der klaffenden Wunde über das gefrorene Eisen. Die wuchtigen Stangen wichen innerhalb von Sekunden zurück, und Alexander stürzte hindurch und über die Straße in den dichten Strandhafer. Er drückte Sara fest an seine Brust, wandte sich dem Meer zu und schloss seine Augen. Bevor Sara auch nur einatmen, geschweige denn reden konnte, waren sie wieder unterwegs, flogen so hoch über dem Wasser, dass die Luft eiskalt wurde, bis sie – KRACH – abstürzten und auf Beton auftrafen.
    Sara, deren Herz rasend schnell schlug, hob den Kopf von Alexanders Brust und sah sich um. Sie keuchte. Sie befanden sich auf einem Leuchtturm, zwanzig Meter oder mehr über dem Boden, auf einem Vorbau über einem düsteren, wilden Meer.
    »Nicht SoHo«, rief Sara über den Wind und die weißen Schaumkronen krachender Wogen hinweg, während ihr das Haar ins Gesicht gepeitscht wurde.
    »Noch nicht«, rief Alexander, wandte sich dann um und trug sie hinein.

14
    Der runde, gläserne Raum roch schwach nach Schimmel und war mit zwei Holzstühlen und einem dazu passenden Tisch nur spärlich möbliert.
    Alexander ließ Sara auf einen der Stühle sinken, schritt dann zum Fenster, spreizte die Hände an der Scheibe weit und blickte in die mondbeschienene Nacht hinaus.
    Während Sara seine Muskeln unter dem schwarzen Pullover sich anspannen und beugen sah, zwang sie ihre Beine zur Ruhe. Es würde eine Weile dauern, bis sie sich an das Fliegen mit Geisteskraft gewöhnt hätte. »Geht es dir gut?«
    Alexander schwieg.
    Sie versuchte erneut, ihn einzubeziehen. »Wie lange ist es her, seit du zuletzt dort warst, seit du sie das letzte Mal gesehen hast?«
    Er schwieg weiterhin.
    Saras Herz sehnte sich nach ihm. Sie hatte noch nie in ihrem Leben erlebt, dass jemand so verabscheuungswürdig behandelt wurde, und sie wusste, dass er sich gedemütigt fühlen und zornig und beschämt sein musste, weil sie das alles mitangesehen hatte. Also wartete sie, ließ ihm Zeit, das Geschehene zu verarbeiten und nachzudenken.
    Schließlich stieß er nach mehreren Minuten den Atem aus und sagte: »Ich bin meiner Credenti vor über einhundert Jahren entflohen.«
    Entflohen. Vor über einhundert Jahren. Gott.
    »Eine ältere Frau«, fuhr er fort, noch immer zum Fenster und dem Meer und dem Mond gewandt, »eine meiner Lehrerinnen, die mit mir geflohen ist, erzählte mir von diesem Leuchtturm. Wir kamen hierher und versteckten uns. Hier wartete ich auf meine Brüder. Sie waren auch entflohen, und ich beobachtete, wie ihre Schiffe einliefen. Das Licht dieses Turms führte sie zu mir, zu unserem neuen Leben, befreit von denjenigen, die uns das Leben geschenkt hatten. Und frei von jenen, die uns kontrollieren wollten.« Er lachte verbittert auf. »Verdammt sei der Orden, dass sie mich gezwungen haben, hierher zurückzukehren.«
    Er stieß sich von dem Glas ab, trat zu dem leeren Stuhl ihr gegenüber und sank darauf.
    Sara beobachtete ihn, die niedergeschlagene Miene und den stillen, brodelnden Zorn, der jeden Muskel seines Körpers beherrschte. In dem großen, muskulösen, gebrandmarkten, harten Mann steckte ein zutiefst verletztes Kind, und sie wollte hinlaufen oder -fliegen oder sich das Handgelenk aufschneiden oder was immer nötig war, um wieder in diese Credenti zu gelangen, damit sie seinen Eltern in den Hintern treten konnte – ob nun Vampir oder nicht.
    »Alexander«, sagte sie sanft. »He.«
    Er hob den Kopf und auch den Blick. Seine Augen wirkten groß und scharlachrot und verletzt. »Ja.«
    »Hör zu. Die Wahrheit ist …« Sie hielt inne. Was war die Wahrheit? Wir können uns unsere Eltern nicht aussuchen? Er verdiente etwas Besseres? Worum ging es? Sie zuckte die Achseln und gab ihr Bestes. »Sie sind Arschlöcher.«
    Er neigte den Kopf zur Seite und fragte sich zweifellos, ob er sie richtig verstanden

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