Ewigkeit
Jüdische Miliz, die rund um das Nil-Delta stationiert war, hatte ihr Mißvergnügen schon in Demonstrationen zum Ausdruck gebracht, die an Meuterei grenzten. Jetzt reagierte der Rat. Kleopatra, in Begleitung ihres üblichen Mückenschwarms von Ratgebern, war aus der Sitzung herausgekommen in den Lichterglanz, den eine offizielle Dokumentationsmannschaft ausstrahlte. Sie war eitel genug, um grelles Licht und Kameras zu hassen, hatte aber genügend Pflichtgefühl, um zu lächeln.
Ihre Stellung als Königin war in der Tat unsicher. Schon seit langem war sie dazu gekommen, die Macht zu bereuen, die sie in den letzten dreißig Jahren für die Dynastie der Ptolemäer zurückgewonnen hatte – genügend Macht, um Vorwürfe zu ertragen, aber nicht genug, um die volle Herrschaft auszuüben. Sie hatte nicht die Macht, den Rat völlig zu brüskieren und das Militär zu übernehmen. Dennoch hielten manche Gruppierungen sie für verantwortlich, wenn die Militärpolitik des Rates versagte. Gerüchte über Verschwörungen schwängerten die Luft. Fast wünschte sie, daß sie sich bewahrheiten möchten.
Der Tag wurde nicht besser, als ihr Mouseion-Spion meldete, wie Rhita Berenike Vaskayza behandelt wurde.
Ihre Kaiserliche Hoheit hatte längst gelernt, aus jeder Situation den größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Sie hatte schon seit mehr als zehn Jahren den Verdacht gehegt, daß die Interessen des Mouseions sich von ihren eigenen entfernten, aber nicht so sehr, daß es zu einer offenen Kontroverse käme. Die Akademeia Hypateia auf Rhodos war ein Dorn im Fleisch des Bibliophylax. Kleopatra hatte gedacht, daß sie eine interessante Reaktion bewirken könnte, indem sie Patrikias Enkelin gestattete, ans Mouseion zu kommen. Und falls diese junge Frau bessere Nachrichten brächte als Patrikia – nun wohl!
So oder so war sie nützlich.
Aber was der Spion seiner Königin berichtete, war empörend.
Sie hörte seine Meldung an, während sie in ihrem privaten Arbeitszimmer auf einem Klappstuhl saß. Ihre Narbe wurde weiß, und die Muskeln ihrer Kinnbacken verkrampften sich. Sie hatte nicht geglaubt, daß der Bibliophylax Kallimachos ihre Autorität so bewußt mißachten würde.
Kallimachos hatte den von Rhita gewählten Didaskalos, einen jungen Professor für Physik und Ingenieurwesen namens Demetrios, gegen dessen ausdrücklichen Willen auf einen langen Arbeitsurlaub fortgeschickt. (Demetrios war nach Aussage des Spions ebensosehr ein tüchtiger Mathematiker wie ein vielversprechender Erfinder und hatte sich auf die Zusammenarbeit mit der Tochter der Sophe Patrikia gefreut.) Kallimachos hatte Rhita dann grob behandelt, ihren Status als privilegierter Gast mißachtet und sie gezwungen, getrennt von ihrem keltischen Leibwächter zu wohnen, der für ihre Sicherheit sehr wohl wichtig sein könnte…
Rhita Vaskayza betrug sich, wie der Spion mit einiger professioneller Anerkennung sagte, unter diesen Mißhelligkeiten recht gut. Er fragte: »Ist sie eine Begünstigte der Königin?«
»Mußt du das wissen?« erwiderte Kleopatra kühl.
»Nein, meine Königin. Aber wenn sie es sein sollte, hast du eine interessante Frau zur Favoritin gewählt.«
Kleopatra ignorierte die Vertraulichkeit und sagte: »Es ist Zeit, das gewählte Stück zu spielen.« Mit scharfem Finger wies sie den Spion aus dem Zimmer. Ein Sekretär erschien in der Tür. »Bring morgen früh Rhita Berenike Vaskayza zu mir und behandle sie besonders gut!« Sie summte und starrte an die Decke. Was könnte sie sonst noch tun? Etwas für ihre einfache Genugtuung, ohne größere Pläne zu stören. »Schick die Steuerprüfer ins Mouseion! Ich will, daß jeder Administrator und Didaskalos auf dem Campus – wohlgemerkt, nur diejenigen, welche unmittelbar anwesend sind – überprüft werden hinsichtlich des Zehnten und der königlichen Steuern. Mit einziger Ausnahme von Kallimachos. Sag ihm, daß ich ihn in dieser Woche sehen will. Und sorge dafür, daß alle Tantiemen und Zuweisungen aus dem Etat des Palastes an das Mouseion drei Wochen lang ausgesetzt werden!«
»Jawohl, meine Königin.« Der Sekretär legte die gefalteten Hände ans Kinn und ging rückwärts zur Tür hinaus.
Kleopatra schloß die Augen und besänftigte ihre dumpfe Wut durch einen langen, tiefen Seufzer. Sie merkte, daß sie mehr und mehr etwas Apokalyptisches wünschte, um sauber den politischen Sumpf zu durchteilen, der jetzt ihr Leben war. Weder äußerst mächtig, noch zu schwach, um ignoriert zu werden,
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