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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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mußte sie ihre Macht handhaben wie ein Seemann in einem defekten Boot auf dem Mareotis-See.
    Sie murmelte: »Rhita Vaskayza, bring mir etwas, das ablenkt und schön ist, etwas, das deiner Großmutter würdig ist!«
     
    Die Aula ertönte von weiblichen Stimmen in Hellenisch, Aramäisch, Aithiopisch und Hebräisch. Heute begannen die Kurse, aber Rhita hatte keinen Didaskalos und keine Zuweisungen und daher keine Vorlesungen außer denen, die als Basis allen Studierenden im Mouseion zustanden: Orientierung, Sprache – was sie nicht nötig hatte – und Mouseion-Geschichte. Um zwei Uhr morgens, gerechnet von Sonnenaufgang an, war die Aula fast leer; und sie saß trüber Stimmung in ihrem engen Zimmer und machte sich Gedanken darüber, ob es überhaupt klug gewesen war, nach Alexandreia zu gehen.
    Da hörte sie zwei Paar Schritte vor der Tür und empfand einen Augenblick der Angst. Es wurde an die Tür geklopft, und eine männliche Stimme fragte: »Rhita Berenike Vaskayza?«
    »Ja«, sagte sie und war bereit, jedem entgegenzutreten, der hereinkommen mochte.
    »Ich bin hier mit deinem Leibwächter«, sagte der Mann in glattem gewöhnlichen Griechisch. »Ihre Kaiserliche Hypselotes ersucht um deine Anwesenheit heute um die sechste Stunde.«
    Rhita öffnete die Tür und sah Lugotorix hinter einem großen, kräftigen Ägypter in königlicher Livree stehen. Der Kelte nickte Rhita zu, und sie zwinkerte. »Jetzt gleich?«
    »Ja, jetzt«, bestätigte der Ägypter.
    Lugotorix half ihr, die Behälter zusammenzusuchen, die die Objekte Patrikias enthielten. Rhita fand es etwas lächerlich, daß sie es überhaupt mit dem Mouseion versucht hatte; aber das war die Strategie ihres Vaters auf Vorschlag der Mutter hin gewesen und lag Jahre zurück. Ihre Mutter hatte geraten: Am besten an Ihre Kaiserliche Hypselotes nicht direkt herantreten. Besonders nach dem Fiasko der verschwindenden Tore.
    Ein viel größerer Motorwagen erwartete sie auf der Straße mit Kopfsteinpflaster, die um das Haupttor des Campus verlief. Drei weitere Ägypter, auch in königlicher Livree, luden ihre Behälter sorgsam hinten ein. Der Kelte nahm neben dem Fahrer Platz, und die Wächter standen auf Trittbrettern. Mit dröhnender Windhupe wurde sie vom Mouseion nach Westen zum Palast gefahren.
    Als sie das Haupttor hinter sich ließ, schaute sie zurück und erkannte mit unwillkürlichem Erzittern, daß ihr kurzer Aufenthalt im Mouseion beendet war.

 
17. KAPITEL

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Thistledown
     
    Einmal, noch ehe er dreißig Jahre alt war, hatte das Leben von Garry Lanier vernünftige Proportionen gehabt. Er war nicht mit einer ständigen Sperre explosiver Neubeurteilungen der Realität und seines Platzes darin konfrontiert worden. Seit der Ankunft des Steins hatte er so oft mit Wahrheiten zu tun gehabt, die den Geist strapazierten, daß er gemeint hatte, ihn würde nichts mehr in Erstaunen setzen.
    Er lag auf der Pritsche, die Svard, Korzenowskis Assistent, ihm hergerichtet hatte. Auf dem Rücken liegend und halb von einem Laken bedeckt, seufzte er im Dunkeln und erkannte, daß er schließlich doch nicht so erschöpft war. Die Geschichte des Russen hatte ihn verwirrt.
    Mirsky war zurückgekehrt, nachdem er über das Ende der Zeit hinausgereist und mindestens ein kleiner Gott geworden war.
    Er war ein Avatar, ein reinkarniertes Symbol von Kräften, die sogar Korzenowskis Vorstellungsvermögen überstiegen.
    »Jesus!« sagte Lanier fast automatisch. Dieser Name hatte in den letzten Dekaden erheblich an Kraft eingebüßt. Letztlich wurden alle Wunder bei der Gründung des Christentums jede Woche im Terrestrischen Hexamon wiederholt. Die Technik hatte die Religion überflüssig gemacht.
    Aber was war Mirsky, daß seine Wiederkehr sogar die Fähigkeiten des Hexamons übertreffen konnte? Hatten die Wunder einen vollen Zyklus beendet, zurück in das Reich der alten Religion?
    Was Mirsky ihnen gezeigt hatte… Die Kombination vereinfachter optischer Bilder und Worte mit unverständlichen Tönen, die in ihre Gehirne projiziert wurden… Seine Eingeweide verkrampften sich noch bei der Erinnerung an dieses Erlebnis.
    Was würde Karen gedacht haben, aus ihrer weniger westlich orientierten Sicht? Geboren in China von Eltern, die England untreu geworden waren, konnte ihre Fassungskraft für Wunder durch eine andere Haltung der Realität gegenüber verstärkt werden. Zumindest hatte sie nie so sehr durch Kultur und Zukunft schockiert gewirkt, wie Lanier es erlebt hatte. Sie nahm das

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