Ewigkeit für deine Liebe
so holte er tief Luft, bevor er seinem Freund die Nase einschlug, und ging, den erwartungsvollen Blicken der beiden ausweichend, ohne ein weiteres Wort an ihnen vorbei.
Er schaffte es bis zum Torhaus, bevor sie wieder sprachen.
»Und wo willst du hin?«, wollte Godfrey von ihm wissen.
Christian ignorierte die Frage und ging weiter. Er spürte zwei geisterhafte Augenpaare, die sich in seinen Rücken bohrten, als er sich zurückzog, aber das war ihm egal.
Unsichtbar ging Christian mit großen Schritten um das Haus der Ballasters herum. Am Hintereingang blieb er stehen und lauschte. Als er nur die Stimmen der Schwestern hörte, glitt er durch die Tür hindurch, und als er sah, dass nur sie in der Küche waren, nahm er Gestalt an. Wie erwartet sprang Millicent auf, sowie er sichtbar wurde.
»Oh! Der junge Christian! Du hast mich zu Tode erschreckt!«, sagte sie, die Hand an ihrer Kehle. Dann ließ sie sie langsam sinken und lächelte ihn an.
Christian nickte ihr zu und richtete dann seinen Blick auf Willoughby. »Ich gehe weg«, verkündete er nach einem tiefen Atemzug.
Plötzlich begannen die Schwestern alle auf einmal zu reden, so schrill und aufgeregt, dass er kein Wort verstand. Er hob die Hand. Sie starrten ihn an und verstummten jäh.
»Warum?«, fragte Willoughby schließlich. »Sie ist doch gerade erst angekommen.«
Christian nickte und erwiderte ganz offen ihren Blick. »Ich kann das alles nicht noch einmal durchmachen. Ich habe das Gefühl, dass es ... für sie das Beste ist, wenn sie mir nie wieder begegnet.« Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht wird sie das befreien.«
Die Ballasters starrten ihn in unverhohlenem Entsetzen an. Willoughby ergriff jedoch schnell das Wort und sagte mit gefasster und beruhigender Stimme: »Das kannst du nicht ernst meinen, Junge! Dich zu finden ist, was sie rettet, ein ums andere Mal. Das ist es, was ihr Leben – egal, wie lange es dauert – ausmacht. Verstehst du das denn nicht?«
Die anderen Schwestern nickten beifällig.
Christian sah sie alle prüfend an. Was er wusste, war, dass es ihm jedes Mal, wenn er Emma verlor, erneut das Herz zerriss. Sie starb wenigstens und machte ohne die kleinste Erinnerung an ihn weiter, wenn sie wiedergeboren wurde. Lebte alle zweiundsiebzig Jahre ein anderes Leben und hatte wenig Schmerz ertragen in den paar kurzen Monaten, in denen sie sich nach seinem Tod an ihn erinnert hatte.
Er dagegen ertrug ein qualvolles, niemals endendes Leben voller Schmerz.
Wenn man als Geist in der Welt umherzustreifen überhaupt ein Leben nennen konnte.
Gott! Es ging ihm wirklich nur um ihn!
Was ’ für ein selbstsüchtiger Schuft er war ...
»Jetzt hör mal zu, mein Junge«, sagte Willoughby. »Ich kann sehen, wie du leidest. Aber willst du wirklich - kannst du wirklich fortgehen, ohne sie wenigstens gesehen zu haben?«
»Ich habe sie vorhin gesehen.«
Willoughby rieb sich das Kinn. »Sie ist jetzt oben und schläft, glaube ich. Vielleicht solltest du dich wenigstens von ihr verabschieden?«
Christian erwiderte Willoughbys fragenden Blick. Ihre Augen waren groß und unschuldig.
Seine dagegen verengten sich.
»Das ist nicht fair«, sagte er.
Willoughby zuckte die Schultern. »Das liegt natürlich ganz bei dir. Aber wenn du wirklich fortgehen willst, solltest du dir vielleicht einen letzten Blick auf sie gestatten. Es wird fast ein Jahrhundert dauern, bis sie wiederkommt.«
In Willoughbys Augen flackerte etwas auf, aber es verschwand gleich wieder, bevor Christan herausfinden konnte, was es war.
Mit grimmiger Miene machte er eine kurze Verbeugung vor den Damen, wandte sich ab und ging zur Treppe. An ihrem Fuß hielt er noch einmal inne und wartete.
»Zweiter Stock, letztes Zimmer rechts«, half Willoughby ihm weiter.
Ohne ein weiteres Wort verschwand er, versetzte sich in den zweiten Stock und materialisierte sich dort auf dem Gang.
Er wusste, dass er kein Geräusch verursachte, als er zu dem letzten Zimmer auf der rechten Seite ging, wo er stehen blieb und lauschte. Schon das Geräusch ihrer tiefen, ruhigen Atemzüge ließ ihm den Atem in der Kehle stocken. Für einen Moment schloss er die Augen, nicht sicher, ob es gut war, sie im Schlaf zu sehen. Es war schlimm genug, dass sie mit ihrem ursprünglichen Aussehen zurückgekehrt war. Nach dem letzten Mal, als er Emma verloren hatte, hatte er gedacht, nichts könnte mehr wehtun als ihr Verlust. Das war ein Irrtum. Aber er hatte den Entschluss gefasst, sie in Ruhe zu lassen, und
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